Soldaten
reingestoßen, abgeschossen und wieder raus. Das Schönste, was es gibt, ist Einzeljagd. [191]
Bei der Jagd ist es ganz gleichgültig, ob es um militärische Ziele geht, die man abschießen kann, oder um zivile. Ernst Jünger schildert begeistert in seinem Tagebuch, wie es ihm nach zweieinhalb Jahren Krieg endlich gelingt, mit einem »trefflichen Schuss« seinen ersten Engländer zu »erlegen« [192] . Wie schon gesagt, zählt hier weniger, wen man warum zur Strecke bringt, als dass man überhaupt zu Ergebnissen kommt, möglichst natürlich zu spektakulären. Auch hierin dokumentiert sich die sportliche Auffassung vom Abschießen. Genau deshalb ist der Erfolg auch umso größer, je prominenter oder wichtiger die Abgeschossenen sind. Und desto interessanter sind die dazugehörigen Geschichten:
DOCK : Ich hatte doch meistens immer zwei Bilder von demselben Objekt gemacht; eins hat immer die Führung behalten. Das beste Bild habe ich gemacht von einer Whitley, erster Abschuss in der Staffel. Mensch, den haben wir gefeiert, den ersten Abschuss! Bis zum anderen Morgen um halb sechs, du, um sieben hatten wir Einsatz! Alle blau wie die Kanonen in die Maschinen gestiegen! Whitley waren die erste, die wir abgeschossen haben, unsere Staffel, dann kamen lauter viermotorige, Liberator, Halifax, Stirling, Sunderland. Dann kamen Lockheed Hudson und die da. Vier Verkehrsmaschinen haben wir abgeschossen.
HEIL : Waren die bewaffnet?
DOCK : Nee.
HEIL : Warum habt ihr die abgeschossen?
DOCK : Was uns vor die Flinte kam, wurde abgeschossen. Einmal haben wir abgeschossen – da waren allerhand hohe Tiere drin; waren 17 Mann drin; vier Besatzungsmitglieder und 14 Passagiere, kamen von Lissabon. Da war ein englischer berühmter Filmschauspieler mit drin, Leslie Howard. Der englische Rundfunk hat es nämlich abends durchgegeben. Das waren zackige Flieger, du, die Verkehrsflieger – mein lieber Mann! Der hat sie auf den Kopf gestellt mit den 14 Passagieren. Mensch! Die müssen ja alle an der Decke gehangen haben! (Lacht) Der flog so 3200 Meter hoch. So ein blöder Hund! Anstatt, dass er nun gerade weiterfliegt, wie er uns sieht, fängt er an zu kurbeln. Da hatten wir ihn dann auch, Mensch. Da haben wir ihm ja auch den Laden vollgerotzt, Du! Oh Gott, oh Gott! Durch Drücken wollte er uns entwischen. Da ist er dann Kurven geflogen, Mensch. Dann saß der eine hinter, dann saß der andere dahinter. Da haben wir dann ganz ruhig und sachlich aufs Knöpfchen gedrückt. (Lacht)
HEIL : Ist er runtergekommen?
DOCK : Na, klar, Mensch.
HEIL : Und die anderen ausgestiegen?
DOCK : Nee. Die sind alle tot gewesen. [193]
Leslie Howard (1893–1943), aufgenommen 1933. Filmschauspieler (»Ashley Wilkes« in
Vom Winde verweht
, 1939). Er war am 1. Juni 1943 im KLM Flug 777 von Lissabon nach Bristol unterwegs, als die Maschine in der Biskaya von Ju88 Zerstörern der V./ KG 40 abgeschossen wurde. (Fotograf: unbekannt; Ullstein Bilderdienst)
Besonders in der Geschichte vom Abschuss der Verkehrsmaschine vom Typ Douglas DC 3, in der unter anderem der Schauspieler Leslie Howard zu Tode kam, kommt das Sportliche im Referenzrahmen des Krieges zum Ausdruck. Der 21-jährige Obergefreite Heinz Dock spricht sogar von einer »Flinte«, als wäre er tatsächlich auf der Pirsch; seine Opfer sind »hohe Tiere«. Dock hat durchaus Achtung für den Piloten der Verkehrsmaschine, der durch spektakuläre Ausweichmanöver versucht, dem Abschuss zu entrinnen. Gegen seine Jäger hat er aber keine Chance. Dock und seine Kameraden drückten, wie er süffisant sagt, »ganz ruhig und sachlich aufs Knöpfchen«, die Verkehrsmaschine stürzt ab. [194]
Die Erzählungen verdeutlichen einmal mehr, dass für etliche Soldaten die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen keine Rolle spielte. Es ging um das Versenken, Abschießen und Zerstören – wen es traf, war nicht wichtig. In seltenen Fällen wird sogar ausdrücklich hervorgehoben, dass es gerade nicht um militärische Ziele ging. Oberleutnant Hans Hartigs vom Jagdgeschwader 26 berichtet im Januar 1945:
HARTIGS : Ich bin persönlich nach Süd-England geflogen. Wir sind stündlich mit einem Schwarm geflogen in 1943 und haben den Befehl gehabt, auf alles zu schießen, nur auf nichts Militärisches. Wir haben Frauen und Kinder mit Kinderwagen umgelegt. [195]
Ein besonders drastisches Beispiel, was das bewusste Angreifen und Abschießen nicht-militärischer Ziele bedeutete, liefert das Gespräch
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