Soldaten
zwischen dem Bomberpiloten Wille* und dem U-Bootgefreiten Solm*:
SOLM : Wir haben einen Kindertransport geknackt.
WILLE : Ihr oder Prien?
SOLM : Wir haben es getan.
WILLE : Sind die alle abgesoffen?
SOLM : Ja, alle sind tot.
WILLE : Wie groß war der?
SOLM : 6000 Tonnen.
WILLE : Wie wusstet ihr das?
SOLM : Durch Funk. Der BdU [196] gab uns durch: ›Da und da ist ein Geleitzug, so und so viele Schiffe mit Proviant, so und so viele Schiffe mit dem und dem, ein Kindertransport und das und das; Kindertransport ist so groß, und das andere ist so groß‹. Worauf greifen wir ihn an? Dann kommt eine Frage: ›Haben Sie den Geleitzug angegriffen‹? Haben wir ›Ja‹ gegeben.
WILLE : Wieso wusstest du, dass dieses Schiff von 50 die Kinder an Bord hatte?
SOLM : Weil wir ein großes Buch haben. In diesem Buch stehen sämtliche Schiffe der englischen und kanadischen Schifffahrtslinien darin. Da gucken wir nach.
WILLE : Der hat den Namen des Schiffes nicht.
SOLM : Das haben wir.
WILLE : Da stehen die Namen der Schiffe?
SOLM : Hat alles mit Namen darin.
[Schnitt]
SOLM : Kindertransport ... was uns großes Vergnügen bereitet hat. [197]
Solm bezieht sich hier wahrscheinlich auf die Versenkung des britischen Passagierschiffes »City of Benares« am 18. September 1940, bei der 77 britische Kinder getötet wurden. Dass seine Darstellung sich mit den historischen Vorgängen nur teilweise in Einklang bringen lässt und er die Geschichte ausschmückt – so war es dem BdU
nicht
bekannt, dass sich Kinder auf der »Benares« befanden –, ist in diesem Zusammenhang freilich nicht relevant. Entscheidend ist, dass Solm offenbar davon ausgeht, mit der Geschichte vom »Knacken« eines Kindertransports Eindruck machen zu können.
Kriegsverbrechen – Töten als Besatzer
Seit der Antike hat sich das Verständnis, was ein Kriegsverbrechen ist, immer wieder erheblich gewandelt. Ein Maßstab, was im Hinblick auf die Gewaltausübung als »normaler« Krieg gelten könnte, ist daher auch kaum zu konstruieren. Angesichts der unüberschaubaren Zahl von Menschen, die im Lauf der Geschichte zum Opfer unbeschränkter Kriegsgewalt wurden, könnte sich allerdings die Frage stellen, ob die Befolgung von gewaltbegrenzenden Regeln im Krieg nicht überhaupt die Ausnahme und Regellosigkeit der Normalzustand gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass kein gesellschaftliches Verhalten und damit auch kein historisch nachweisbarer Krieg ohne Regeln war, auch nicht der Zweite Weltkrieg. Ihr Referenzrahmen gab den Soldaten eine recht klare Vorstellung davon, welche Art der Gewaltausübung legitim war und welche nicht – was nicht heißt, dass man die Grenzen der legitimen nicht auch überschreiten konnte.
Gleichwohl ist unverkennbar, dass während des Zweiten Weltkrieges die Entgrenzung der Gewalt qualitativ und quantitativ ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Hier kam man dem »Totalen Krieg« – einem allenfalls theoretisch zu beschreibenden Zustand – am nächsten. [210] Die Erfahrung des Ersten Weltkrieges hatte in der militärinternen Diskussion der Zwischenkriegszeit bewirkt, dass eine Radikalisierung des Krieges von vielen als notwendig bzw. als unvermeidlich angesehen wurde. Der nächste Krieg würde ein »totaler« werden – darin waren sich viele Experten einig. [211] Die Unterscheidung von Kombattanten und Nicht-Kombattanten schien im Überlebenskampf der Nationen, ausgetragen von Massenheeren und möglichst vollständig mobilisierten Gesellschaften, nicht mehr zeitgemäß zu sein. So gelang es in der Zwischenkriegszeit trotz mancher Anläufe nicht, der Brutalisierung des Krieges regulativ Einhalt zu gebieten. [212] Die wirkungsmächtigen großen Ideologien, die generelle Ablehnung liberaler Ideen, die Weiterentwicklung neuer Waffen wie des strategischen Bombers, die immer weiter ausufernden Mobilisierungsplanungen ließen alle Bemühungen zu einer Einhegung der Gewalt Makulatur werden. Hinzu kamen die vielfältigen Gewalterfahrungen in den Jahren 1918 bis 1939 (Russischer Bürgerkrieg 1918–1920, Niederschlagung der Aufstände in Deutschland 1918–1923; Spanischer Bürgerkrieg 1936–1939; Krieg zwischen Japan und China seit 1937), die dem Versuch, der Gewalt im Krieg einhegende Regeln zu geben, diametral entgegenliefen. So konnte auch der Abschluss der zweiten Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen (1929) dieser Entwicklung nicht entscheidend entgegenwirken.
Das erschreckende Ausmaß an
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