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Soldaten

Soldaten

Titel: Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sönke Neitzel
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braucht doch gar kein Jude anzuklagen – wir müssen das anklagen, wir müssen die Leute anklagen, die das gemacht haben.
    KITTEL : Dann muss man eben sagen, der Staatsapparat ist falsch konstruiert worden.
    FELBERT (schreiend): Ist er auch, aber klar ist der falsch, da ist gar kein Zweifel. Das ist doch unglaublich, so was.
    BRUHN : Wir sind die Werkzeuge – [276]
    Felbert nimmt hier ausdrücklich eine Gegenposition zu Kittel ein. Empört spricht er von der »Schweinerei« und der Notwendigkeit, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In diesen Kreis rechnet er freilich die Anwesenden nicht ein. Seine Empörung, wie sich im nächsten Satz zeigt, ist aber nicht nur ethisch motiviert, sondern auch höchst praktischer Art:
    FELBERT : Uns wird das nämlich zugeschoben, nachher, als ob wir das gewesen wären.
    Bruhn sekundiert:
    BRUHN : Wenn Sie heute als deutscher General auftreten, dann glauben die Leute, der weiß alles, der weiß auch das, und wenn wir dann sagen: ›Wir hatten damit nichts zu tun‹, dann glauben die Leute uns nicht. Der ganze Hass und die ganze Abneigung liegt einzig und allein an diesen Morden, und da muss ich ja auch sagen – wenn man überhaupt an eine göttliche Gerechtigkeit glaubt, da hat man eigentlich verdient, dass wenn man selbst fünf Kinder hat wie ich, dass davon eines oder zwei auf diese Weise umgelegt werden, damit das wieder gerächt wird. Wenn man so das Blut vergießt, dann hat man nicht verdient, dass man den Sieg erringt, sondern dann hat man das verdient, was jetzt eingetreten ist.
    FELBERT : Ich weiß nicht, auf wessen Veranlassung das ist – wenn das von Himmler ausgeht, dann ist der der größte Verbrecher. Sie sind nämlich der erste General, aus dessen Mund ich das gehört habe. Ich habe immer noch geglaubt, diese Schriften, das wäre alles gelogen.
    KITTEL : Über zu viele Dinge schweige ich, die sind zu entsetzlich. [277]
    Der »Staatsapparat« habe es leider zugelassen, dass auch sie, die Wehrmachtgeneräle, zu »Werkzeugen« der Verbrechen werden konnten, an denen aber deutlich andere Personengruppen, insbesondere der SD schuldig sind. Bruhn und Felbert befürchten gleichermaßen, dass sie in Mithaftung genommen würden für Dinge, mit denen sie nichts zu tun hatten. [278] Die skurrile Einlassung von Generalmajor Johannes Bruhn, man müsse von den eigenen Kindern ein oder zwei der Rache der Opfer zur Verfügung stellen, zeigt, wie sehr der normative Referenzrahmen, in dem die Sprecher argumentieren, von heutigen Standards abweicht. Felbert schließt sich der Suche nach den identifizierbaren Schuldigen an; Kittel beendet diese Diskussion mit etwas, das sehr nach einer Freud’schen Fehlleistung klingt: »Über zu viele Dinge schweige ich« [279] .
    Es folgt dann eine längere Passage zu den antijüdischen Maßnahmen, die der Vernichtung vorausgegangen sind. Dann beginnt sich Felbert wieder für Details der Erschießungen zu interessieren, und zwar mit einer eher bizarren Frage:
    FELBERT : Was wurde aus den jungen hübschen Mädchen? Wurden die zu einem Harem zusammengestellt?
    KITTEL : Ich habe mich nicht darum gekümmert. Ich habe nur gefunden, sie sind dann schon vernünftiger geworden. In Krakau haben sie wenigstens Konzentrationslager für die Juden gehabt. Jedenfalls, von dem Moment an, wo ich eine Befestigungsanlage gewählt habe und ich das Konzentrationslager gebaut habe, dann kam es ganz vernünftig. Haben schwer arbeiten müssen. Die Weibersache, das ist ein ganz düsteres Kapitel.
    FELBERT : Wenn da Leute umgebracht werden, weil man ihre Teppiche und Möbel braucht, da kann ich mir auch vorstellen, wenn da eine hübsche Tochter ist, die arisch aussieht, dass die einfach beiseite geschafft wird als Servierfräulein. [280]
    Heinrich Kittel, der 1944 Verteidigungskommandant Krakaus war, spielt auf das Lager Płaszów an, das eine gewisse mediale Berühmtheit erlangt hat, weil es unter der Leitung von Amon Göth stand – jenem Kommandanten, der gelegentlich von der Veranda seiner Dienstvilla aus Häftlinge im Lager erschoss, aber auch zu jenen Deals mit Oskar Schindler bereit war, die es dem erlaubten, eine erhebliche Anzahl von Juden zu retten. [281] Kittel zeigt sich hier, in Krakau, zufriedener mit dem antijüdischen Vorgehen, da die technische Seite der Verfolgung effizienter gelöst wird als in Dünaburg: »wenigstens Konzentrationslager.« Felbert hingegen hängt noch der »Weibersache« nach, auf seine folgende, ebenso lüsterne wie

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