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Soldner

Soldner

Titel: Soldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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mein einziger Freund.
    »Wo bist du zu Hause?«, fragte Dar, als sie von einem weiteren unbehaglichen Ausflug zum Wasserfass zurückkehrte.
    Kovok-mah richtete seinen Blick auf die Berge. »Der Sitz meiner Mutter ist dort.«
    »Im Urkheit-Gebirge?«
    »Das ist der Washavoki-Name. Wir nennen es Blath-Urkmuthi. «
    Dar übersetzte. »Umhang der Mütter?«
    »Hai. Sie gaben den Müttern Obdach, als wir vor den Washavoki flohen.«
    Es fiel Dar nicht leicht, sich die Orks auf der Flucht vor irgendjemandem vorzustellen. »Warum sind die Urkzimmuthi geflohen?«
    »Du noch nie gesehen, dass Ameisen größere Geschöpfe besiegen? Auch in großer Zahl ist Stärke.«
    »Soll das heißen, Washavoki haben euer Land besetzt?«
    »Hai. Vor langer Zeit.«
    »Tut mir leid«, sagte Dar.
    »Warum? Du hast es doch nicht geraubt.«
    »Es tut mir leid, dass mein Volk es getan hat. Mer nav nervler. « Ich bin traurig.
    »Hai, ma snaf.« Ja, ich auch.
    »Liegt der Sitz deines Vaters auch in Blath Urkmuthi?«, fragte Dar, um das Gespräch über die Untaten der Menschen in eine andere Richtung zu lenken.
    »Väter haben keinen Sitz«, sagte Kovok-mah. »Sie ziehen zu Sitz von Muthvashi.«
    »Muthvashi? Was ist das?«
    »Wenn Muth und Min zusammenleben und Kinder haben, wie nennt man das?«
    »Verheiratet?«
    »Ich glaube ja«, sagte Kovok-mah. »Muth wählt ihren Verheirat aus.«
    »Ich glaube, du meinst ihren ›Gatten‹.«

    Kovok-mah schaute verwirrt drein. »Das sind Wörter, die ich nicht gelernt habe.«
    »Wenn Mann und Frau – Min tep Muth – heiraten«, sagte Dar, »wird Muth ›Gattin‹ und Min ›Gatte‹ genannt.« Nun schaute sie verdutzt drein. »Soll das heißen, Muth wählt ihren Gatten aus?«
    »Hai, aber zuvor muss sie seine Muthuri fragen.«
    Nach einem langen und manchmal verwirrenden Gespräch konnte Dar sich ein Bild vom orkischen Familienleben machen. In Kovok-mahs Gesellschaft wählten die Frauen nicht nur ihren Gefährten aus, sie hatten auch ein höheres Ansehen. Alle Frauen eines Sitzes waren verwandt – die Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen der herrschenden Mütter. Ein Gatte lebte auf dem Sitz seiner Gattin, und all seine Kinder gehörten zu ihrer Sippe. Seine Töchter verbrachten das ganze Leben auf dem gleichen Sitz. Je älter sie waren, umso höher war ihr Ansehen.
    Den Frauen gehörte nicht nur der Sippensitz, sondern auch das den Sitz umgebende Land und die von ihm hervorgebrachte Nahrung. Sie leiteten die Männer an, die als Ernährer, Beschützer und Handwerker dienten.
    Dar versuchte sich ein Leben vorzustellen, in dem Menschen sie für klug hielten und sich ihrer Autorität beugten, doch es war zu weither geholt. Kovok-mah hingegen sprach so, als sei dies die natürliche, bei der Erschaffung der Welt festgelegte Ordnung.
    Obwohl eine solche Existenz die Grenzen ihrer Phantasie sprengte, erhellte sie für Dar die Gründe, weshalb Kovok-mah sie gerettet hatte. Vielleicht fühlt er sich verpflichtet. Dar nahm an, dass nicht viele Orks das Gleiche getan hätten, denn sie sah nur wenige Anzeichen dafür, dass sie glaubten, Menschenfrauen stünde der gleiche Respekt zu wie denen ihrer Art. Ich bezweifle,
dass Kovok-mah es selbst glaubt. Dar dachte an das Gemetzel an den Bäuerinnen. Es scheint ihn gar nicht berührt zu haben. Wieso sieht er in mir etwas anderes?
    Nachdem sie und Kovok-mah zu reden aufgehört hatten, dachte sie weiter über diese Frage nach. Sie mutmaßte, dass es etwas mit ihrer ersten Begegnung zu tun gehabt hatte, denn er hatte sie bei der zweiten Begegnung angesprochen. Er hat vorher nie eine Frau angesprochen, dachte Dar. Memni hat es gesagt. Sie versuchte sich an die erste Begegnung mit Kovok-hah zu erinnern. Ich habe geweint. Er hat mich zum Baden geschickt. Ich war wütend auf ihn. Ihr fiel ein, dass er, als sie ihn finster angeschaut hatte, gelächelt und gesagt hatte, der Name Wiesel passe gut zu ihr. Damals habe ich ihn nicht verstanden. Er hat wohl ein Selbstgespräch geführt.
    Eins kam Dar in den Sinn: Sie hatte sich aufgrund ihres gereizten Verhaltens nicht wie ein Mensch aufgeführt. Die Frauen hier sind ängstlich, dachte sie. Eine Muth ist sicher das Gegenteil. Vielleicht ist Furchtlosigkeit der Schlüssel. Sie fühlte sich freilich alles andere als furchtlos. Sie hatte noch immer Angst vor den Orks. Sie hatten sie mehr als einmal fast umgebracht. Manchmal machte sogar Kovok-mah sie nervös. Trotzdem: Sie vermutete, dass Kühnheit Sicherheit brachte. Je unerschrockener

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