Soldner
nach seinen Bedürfnissen. Cymbe musste auch herhalten, wenn Dar oder ihre Brüder der Grütze überdrüssig waren. »Denkt an Cymbe«, hieß es, wenn man über lästige Pflichten nörgelte. Schon als Kind hatte Dar sich ihre eigene Moral ausgedacht: Cymbes verhängnisvoller Fehler bestand nicht in dem Wunsch nach einem besseren Leben, sondern darin, den Charakter des Bären missverstanden zu haben. Verstehe ich die Orks etwa besser?
Während sie über diese Frage nachdachte, war die Schildron aufgebrochen. Die Offiziere und Murdant Kol führten die Einheit auf ihren Pferden an. Ihnen folgten die beiden Planwagen, dann kamen die Infanteristen, die Frauen, und schließlich die Orks. Obwohl Dar wusste, dass sie sich dieser Prozession anschließen musste, sah sie keinen Platz für sich. Sie schloss sich der Kolonne der Orks an, die sie vor den Blicken der anderen abschirmte.
Der Tag war heiß. Dar war durstig, als die Kolonne zu einer kurzen Rast anhielt. Die Orks schleppten ihr eigenes Wasser mit, doch die menschlichen Soldaten und Frauen tranken aus einem Wasserfass am Heck eines Wagens. Dar machte sich auf, um ihren Durst zu löschen. Die Söldner tranken immer zuerst. Als Dar wartete, dass sie an die Reihe kam, um den Schöpflöffel zu benutzen, erkannte sie, dass sie
zwar im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, andererseits aber auch demonstrativ übersehen wurde. Sie wartete, bis alle getrunken hatten, dann trat sie an das Fass. Als sie den Löffel nehmen wollte, rempelte ein stämmiger Kerl sie an und schubste sie beiseite. » Die drückt ihre Lippen nicht auf etwas, das meine Lippen auch berühren.«
»Wer weiß, was die sonst noch berührt haben«, sagte ein anderer Mann.
»Denkt mal drüber nach«, sagte Neena. »Könnt ihr es auch nicht vorstellen?«
Neenas Frage führte zu noch schmutzigeren Spekulationen. Dar versuchte sie zu überhören. Sie formte mit den Händen eine Schale und löschte eilig ihren Durst. Als sie fertig war, schaute sie auf und stellte fest, dass sie von Soldaten umgeben war. Sie wirkten wie Hunde, die um eine Viper herumstanden; ihre Blicke zeigten Abscheu und Angst. Dar wusste nicht genau, was sie gefährlicher machte. Statt zu versuchen, sich einen Weg durch die Umstehenden zu bahnen, duckte sie sich unter den Planwagen und verschwand aus der Reichweite der Menschen. Als sie sich zurückzog, hörte sie Neena lachen. »Habt ihr gesehen, wie rot die Hure geworden ist? Da hat wohl einer von euch was Richtiges vermutet.«
Dar eilte zu ihrer Zuflucht am Ende der Marschkolonne. Als sie an den Orks vorbeikam, spürte sie auch bei ihnen eine Veränderung. Sie war inzwischen so vertraut mit orkischen Gesichtsausdrücken, dass sie Groll erkennen konnte. Galt er ihr? Warum sollten sie wütend auf mich sein? Die Vorstellung erschreckte sie, und sie schaute sich nach Kovok-mah um. Als sie seinen Blick auffing, schaute er weg.
Als der Marsch weiterging, trottete Dar hinter den Orks her und verdeutlichte sich – wie Cymbe – finster, dass Ahnungslosigkeit ihren Untergang bedeuten konnte. Kovok-mahs
Handeln hatten ihr Leben verändert; sie musste es verstehen. Dar nahm Schritt auf, bis sie neben Kovok-mah ging. »Pahav ta mer«, sagte sie. Sprich mit mir.
»Es gibt nichts zu sagen«, erwiderte Kovok-mah in ihrer Sprache.
Dar blieb dennoch bei ihm. Als sie sich umschaute, sah sie, dass andere Orks sie beobachteten. Sie hatte den Eindruck, dass Kovok-mahs Tat ihm bei den anderen vielleicht ein Problem eingebracht hatte. Befand er sich deswegen in einer heiklen Lage? Wenn ja, musste sie mit großer Vorsicht agieren. Sie musste Kovok-mah bewegen, mit ihr zu reden, ohne dass er dabei sein Gesicht verlor.
Nach einer Weile kam ihr eine Idee. Sie bleckte die Zähne und warf sich in der komischen Imitation eines Orks, der sich aufspielt, in die Brust. »Dargu ist sehr grimmig«, sagte sie auf Orkisch. Dann stieß sie einen schrillen, trällernden Schrei aus, um den dumpfen Donnerlaut zu verulken, den Orks schon mal äußerten. Kovok-mahs anfängliche Überraschung verwandelte sich in Erheiterung.
Dar brüllte noch einmal. »Sprich mit der grimmigen Dargu. «
Kovok-mah brach in ein Lachen aus und verlangsamte sein Marschtempo. Dar blieb stehen und neigte den Kopf wie ein Ork, der sich unterwarf. Kovok-mah hielt ebenfalls an. Die marschierenden Orks gingen um die beiden herum. Dar merkte, dass mehrere Orks lachten. Noch mehr lächelten.
Kovok-mah blieb weiterhin stehen, als könne er vor Lachen
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