Soldner
wenn ich sie kennenlerne, lerne ich auch dich kennen.«
»Da hast du dich geirrt.«
»Nun ja, ich habe aber auch eine Frage«, sagte Sevren. »Warum schickt ihr so ein kleines Mädel zum Holzsammeln? Hat euer Murdant einen Dachschaden?«
»Wenn du das nicht verstehst, hast du einen Dachschaden.«
»Dann habe ich eben einen.«
»Er malträtiert sie, um mich zu bestrafen.«
»Soll das heißen, er würde erlauben, dass ihr etwas passiert? «
»Erlauben?« Dar lachte verbittert. »Wenn er nicht zu feige wäre, würde er ihr selbst etwas antun. Für dein Heer hat Twea keinerlei Wert, aber ihr Kopf brächte immerhin fünf Silbermünzen ein.«
»Es ist nicht mein Heer.«
»Du bist aber stolz darauf dazuzugehören«, konterte Dar. »Man sieht es an deinen schicken Kleidern und deinem schönen Pferd. Dich braucht man nicht zu brandmarken, damit du nicht wegläufst!«
»Ja, ein Brandzeichen fehlt mir«, sagte Sevren. »Aber stolz darauf, hier zu sein, bin ich weniger. Mir gefallen die Bräuche hier im Norden nicht.«
»Dann schwing dich doch auf dein Pferd und reite weg.«
»Eines Tages werde ich das tun.«
»Twea und ich werden es nie tun können.« Dar wandte sich um und wollte fortgehen, doch sie spürte eine leichte Berührung an ihrem Arm. Sie fuhr herum. »Was ist denn?«
Sevren sah nachdenklich aus, schien aber noch immer zu
ängstlich, um etwas zu sagen. »Ich habe nicht alles verstanden«, sagte er. »Es ist wohl meine eigene Schuld. Doch jetzt, da du’s mir gesagt hast, kann ich dir vielleicht eine Hilfe sein.«
»Kannst du nicht. Lass uns jetzt allein.«
»Ich sehe schon, dass du für dich selbst sorgen kannst. Aber gilt das auch für Twea? Ich kann ihr Sicherheit geben.«
»Wie denn?«
»Der König wird bald hier eintreffen. In seinem Lager werden zusätzliche Hilfskräfte gebraucht. Dort kann euer Murdant ihr nichts anhaben.«
»Du meinst, Twea könnte für den König arbeiten?«, fragte Dar.
»Es wäre zwar nur Küchenarbeit, aber die ist sicherer als das Sammeln von Brennholz.«
»Das … das wüsste ich sehr zu schätzen.«
»Dann kommt doch alle beide zu uns.«
Dar zögerte.
»Twea würde sich bestimmt freuen.«
»Na schön«, sagte Dar. »Ich komme mit.«
Sevren lächelte. »Dann halte morgen Früh nach mir Ausschau. « Bevor Dar etwas sagen konnte, ging er fort.
Dar schaute mit gemischten Gefühlen hinter ihm her. Sie empfand Hoffnung, aber auch Argwohn. Auch Murdant Kol war nett zu ihr gewesen. Jetzt war er ihr Feind. Soll ich diesem Mann vertrauen? Die Erfahrung sagte ihr, dass sie es nicht tun sollte.
Nachdem Dar die Orks bedient und gespült hatte, kehrte sie in Muth’las Umarmung zurück und begab sich zu Kovok-mahs Quartier. Twea schlief schon auf dem Schoß des Orks. Er saß so still, dass Dar glaubte, er schliefe ebenfalls. Sie schob das Riedgras wieder zusammen, hüllte sich in ihren Umhang und
legte sich vor seine Knie. Sie hatte die Augen gerade erst geschlossen, als Kovok-mah leise »Tava, Dargu«, sagte.
»Tava, Kovok-mah.« Dar sprach weiterhin in seiner Sprache. »Ich bin froh, dass du noch wach bist.«
»Warum?«
»Ich möchte gern über Visionen sprechen«, sagte Dar.
»Söhne wissen nur wenig über solche Dinge.«
»Aber ich habe gehört, dass du …« Dar suchte nach dem passenden orkischen Wort für beten, aber sie kannte es nicht. »… dass du an Nuf Bahi zu Muth’la gesprochen hast.«
»Söhne sprechen zu Muth’la, und Muth’la hört zu«, sagte Kovok-mah. »Aber Muth’la spricht nur zu Müttern.«
»Ich glaube, an jenem Abend hat Muth’la mir vielleicht etwas gezeigt«, sagte Dar. »Ich muss verstehen, was ich gesehen habe.«
Kovok-mah schwieg. Nach einer Weile fragte Dar sich, ob er wohl eingeschlafen war. »Kovok-mah?«, flüsterte sie.
»Hai?«
»Hast du mich verstanden?«
»Sprich nicht über das, was du gesehen hast«, sagte Kovok-mah irgendwie unbehaglich.
»Warum nicht?«
»Söhne sollen solche Dinge nicht hören. Es sind hintergründige Angelegenheiten, die nur wenigen Müttern gezeigt werden.«
»Vielleicht war es ja gar keine Vision«, sagte Dar in der Hoffnung, dass es keine gewesen war.
»Vielleicht«, erwiderte Kovok-mah. »Du wirst es bald erfahren. «
Dar und Twea standen vor dem Morgengrauen auf und verließen Muth’las Umarmung. An der Kochstelle standen einige
müde Frauen auf und wärmten sich an einem kleinen Feuer. Taren und Neffa waren ebenfalls bei ihnen, und auch Memni, die besonders elend aussah. Dar
Weitere Kostenlose Bücher