Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
große, gläserne Kronleuchter, die von der Decke eines breiten Gangs hingen. Die Wände und der Boden waren nackter Marmor, die Decke mit Stuck verziert.
„Egal, was du tust, sieh nicht nach hinten“, warnte sie Isaak. Seine Stimme klang überraschend ruhig, und Ninive war dankbar dafür.
„Warum nicht?“, fragte sie und machte einen schnelleren Schritt, um direkt neben ihm zu gehen. Er hielt noch immer ihre Hand, und sie wollte das auf gar keinen Fall ändern.
„Das willst du nicht wissen“, sagte er mit einem Lächeln, und sie hatte das Gefühl, dass er damit richtig lag. „Ich bin sowohl in Paris als auch in der Nähe von Camaret auf ähnliche Durchgänge gestoßen. Die Children of Chou erwähnen sie auch in den Aufzeichnungen, die ich ihnen entwenden konnte. Sie bezeichnen diese als Korridore.“
„Und was hat es damit auf sich?“ Ninive atmete tief durch, als sie am Ende des Gangs angekommen waren und vor einer verhältnismäßig unspektakulären Holztür angekommen waren.
„Es sollen Verbindungen sein, die das Sangre geschaffen hat. Ich verstehe noch nicht, wohin diese Verbindungen führen ...“ Isaak öffnete die Holztür und spähte hindurch.
„Dass du in Camaret erst am Tag nach meiner Ankunft ankamst...“, begann Ninive und folgte Isaak durch die Tür.
„... da war ich mit Ilyena in den Korridoren“, vollendete er ihren Satz. „Wir haben versucht, den Zugang zu diesen zu verriegeln, aber es ist uns nicht gelungen.“
„Wieso verriegeln? Sind die Korridore gefährlich?“
„Das kommt darauf an, auf wen man dort trifft. In Camaret waren es die Ossfhang. Sie kommen geradewegs aus den Korridoren.“
Ninive sah sich um. Sie waren in einem kleinen Raum, in dem unzählige Kostüme hingen. Ebenso gab es große, altmodische Schminktische, Koffer voller sonderbarer Gegenstände, falscher Waffen und Stellwände, auf die verschiedene Bilder von Landschaften oder anderen Orten gemalt worden waren. Eine zweite Tür, die aus dem Raum führte stand offen und gab so den Blick auf eine große Bühne frei, deren Vorhang zugezogen war.
„Was ist das hier?“, fragte Ninive erstaunt und vergaß für einen Moment die Panik, die sich an ihre Wirbelsäule klammerte und noch immer hoffte, die Kontrolle über ihren Körper zu gewinnen.
„Die Umkleide eines Theaters, würde ich annehmen“, Isaak durchquerte den Raum und trat auf die große, leere Bühne hinaus.
„Was machst du?“ Er hatte ihre Hand losgelassen und näherte sich dem Vorhang. Sie folgte ihm und hörte Stimmengewirr aus dem Zuschauerraum. Isaak spähte durch einen schmalen Spalt im Vorhang. Dann nickte er und deutete zur Umkleide. „Da draußen ist eine Party im Gange ... wir haben Glück, die Bewohner dieses Orts sehen so aus, als könnten wir unentdeckt bleiben. Vorausgesetzt wir haben die richtige Verkleidung an, aber das lässt sich sicher machen.“
Ninives Verwirrung stieg weiter. Sie fühlte sich nicht in der Lage Einspruch zu erheben, doch die Vorstellung, dass sie sich an diesem unmöglichen Ort unter eine fremde Festgesellschaft mischten, hielt sie für Wahnsinn. Sie war einmal in Paris auf einer Festgesellschaft normaler Menschen in einem physikalisch möglichen Raum, und selbst da hatte sie ihre Probleme. Doch Isaak schien sich seiner Sache so sicher zu sein, dass die Vorstellung, er könne sie alleine zurücklassen, das weitaus größere Übel war. Isaak hatte unterdessen Kostüme herausgesucht und winkte Ninive heran. „Es tut mir leid, dass du dir das antun musst, aber wenn wir uns anpassen müssen ...“
Wenige Minuten später standen sie an einem Stehtisch in der Nähe eines überladenen Buffets. Sie sahen aus wie alle anderen Gäste der Party. Isaak trug einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Fliege, dazu einen Zylinder und eine schwarze Maske, die an den Kopf eines Raben erinnerte. Ninive hingegen war in ein langes Cocktailkleid mit langem, engem Rock gekleidet, dazu trug sie einen schwarzen Schleier vor ihrem Gesicht. Die anderen Gäste der Party redeten angeregt und ausgelassen miteinander, doch niemand schien von den beiden Neuankömmlingen Notiz zu nehmen, bis eine andere Frau sich mit einem Glas Champagner in der Hand an ihren Tisch stellte. Sie war etwas kleiner als Ninive, hatte braune Haare und unter dem dünnen Stoff des Kleids waren nicht so ausgeprägte Muskeln zu sehen.
„Guten Abend, Mademoiselle ... Monsieur“, sagte sie. Ninive stutzte und sah die Frau genauer an, doch durch die Schleier
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