Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
geflohen ist und die Frau eines Clef van Ijssel getötet hat. Das wiederum ist der Mann, der vor etwa dreißig Jahren Solvejg von Paris über Amsterdam nach Hamburg gebracht hat.“
„Die uns wiederum rein zufällig direkt nach unserer Landung über den Weg laufen“, ergänzte Ninive.
„Das ist nicht ganz korrekt“, wandte Isaak ein.
„Ich weiß, sie sind nicht direkt über den Weg gelaufen, sondern ...“, Ninive musste lachen.
„Das meine ich nicht. Solvejg sagte, sie hätte die Schiffe kommen sehen. Deshalb waren die beiden da. Völlig unabhängig, was sie sonst so getan haben.“
„Und jetzt ist Sequana mit Gallea, dem Partner von Professor Doignac, auf dem Weg ins zerstörte Amsterdam um nach van Ijssel zu suchen, von dem alle glauben, dass er tot ist, bis auf ein Journalist, der von ihm und dem Mann bedroht wird, der Doignac dabei geholfen hat, uns zu retten. Es wird langsam kompliziert.“ Ninive rieb sich die Schläfen.
Isaak nickte und stand plötzlich auf. Er nahm sich Maske und Zylinder und zeigte auf die Schleier, die vor Ninive auf dem Tisch lagen.
„Wir sollten zurück gehen. Der Weg ist lang genug, um die weiteren Schritte zu besprechen“, er setzte sich die Maske auf und klopfte den Zylinder ab.
„Sequanas Schleier und ihr Kleid liegen hier“, stellte Ninive fest und stand ebenfalls auf.
„Ich nehme nicht an, dass sie das noch braucht“, Isaak zuckte mit den Schultern. „Vermutlich bleibt das, was in die Korridore gehört, auch in den Korridoren zurück.“
„Dann sollten wir daran denken, uns wieder umzuziehen, bevor wir diesen Ort verlassen“, sagte Ninive und rückte den Schleier zurecht. Sie warf Isaak einen Blick zu, der schon die Klinke der Tür in der Hand hatte, dann streckte sie ihm ihre Hand entgegen. „Dieser Ort ... ich ...“
„Schon gut“, entgegnete Isaak und neigte seine Rabenmaske in ihre Richtung.
Sie hatten das Theater durchquert und stiegen die hölzernen Stufen zur Bühne hoch. Er hatte ihre Hand nicht losgelassen, als sie sich ihren Weg durch die Menge der Partygäste bahnten, und auch nicht, als sie jetzt auf der Bühne standen. Der schwierigste Teil des Weges lag hinter ihnen, vermutete Ninive, doch ihre Nervosität stieg, je näher sie dem eigentlichen Ausgang der Korridore kamen. Isaak blieb abrupt stehen, und sie wäre fast gegen ihn gelaufen.
„Was ist?“, flüsterte sie, nur Zentimeter von seinem Ohr entfernt, als er warnend die Hand hob.
„Da ist jemand in der Umkleide“, raunte er zurück.
Sie machten einen kleinen Bogen und näherten sich der noch immer offen stehenden Tür seitlich. In das Dunkel der Bühne geduckt, den Lichtschein aus der Umkleide meidend, spähte Isaak in den Raum. Sie konnten jetzt Geräusche hören.
„Da hat jemand sehr lebhaften Sex“, stellte Isaak sachlich fest. Ninive sah auf die angespannten Muskeln in Isaaks Nacken und fühlte den Druck seiner Hand um ihre. Sie errötete ungewollt.
„Wenn die es da drin so wild treiben“, flüsterte sie und beobachtete, wie die feinen Härchen in seinem Nacken sich unter ihrem Atem bewegten, „dann können wir doch an ihnen vorbeischleichen, oder?“
„Schon“, entgegnete Isaak, „die beiden – wenn es denn nur zwei sind – stecken hinter einem Paravent.“
„Oh nein“, entgegnete Ninive.
„Doch, genau dort haben wir unsere Sachen deponiert. Ausrüstung, Kleidung ...“ Isaak zuckte mit den Schultern. „Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir versuchen unsere Sachen zurückzuholen und riskieren dabei gesehen zu werden, oder ...“
„... oder es wird ein sehr kalter Weg zurück zum Schiff“, ergänzte Ninive und dachte daran, dass sie außer einem Slip nicht mehr trug, das sie dann noch behalten würde.
„Ich habe aber keine Lust, nur in Boxershorts zurückzulaufen“, murmelte Isaak.
„Hallo? Was soll ich denn sagen?“, gab Ninive entrüstet zurück.
„Andererseits ist es viel zu riskant, unsere Sachen zu holen“, er drehte sich mit einem Grinsen zu ihr um.
„Das ist der falsche Ort für solche Scherze!“
Sie betraten leise die Umkleide. Der Weg zur schmalen Holztür, durch die sie hereingekommen waren, war frei. Es wären nur wenige Schritte gewesen, um diese zu erreichen. Die Aussicht war verlockend, dachte Ninive. In wenigen Sekunden konnten sie unentdeckt und wohlbehalten zurück in der wirklichen Welt sein. Und unter diesen Umständen war ihr fast egal, ob sie danach halbnackt durch den nächtlichen Sturm laufen mussten. Sie
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