Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
Kälte, die die Scheiben ausstrahlten, jedes Mal wenn sie mit dem Gesicht näher an die Fenster ging. Es war, als würde sie an der Grenze zwischen Sturm und Geborgenheit sitzen, ein Gefühl, dass ihrem momentanen Gemütszustand bestens entsprach.
Sie beobachtete Isaak, als er das letzte Stück durch den Park ging. Nasses Laub, das vom Wind aufgewirbelt worden war, hatte sich in seinem Regenmantel verfangen, und er trug eine Strickmütze auf dem Kopf und einen kleinen Karton in der Hand – beides hatte er noch nicht, als er am Morgen mit Eva aufgebrochen war.
Kalte, feuchte Luft wirbelte herein, als er die Tür zum Foyer öffnete. Ninive stand auf und ging zu ihm. Sie spürte den kalten Luftzug, der ihn umgab, an ihren Beinen. Eva hatte darauf bestanden, dass Ninive in ihrem Kleiderschrank nach passenden Sachen suchte, doch obwohl sie nur wenige Zentimeter größer war, passte keine der Hosen, was nicht zuletzt an Ninives deutlich muskulöseren Beinen lag. Also hatte sie angesichts aufkommender Frustration ob ihres Körperbaus zu Strumpfhose und Rock gegriffen. Eine ungewohnte Kleidung für sie, doch sie konnte nicht leugnen, dass es für einen Tag in der Wohnung und ohne körperliche Anstrengungen nicht die schlechteste Wahl war.
„Hi Ninive!“ Isaak war sichtbar überrascht sie zu sehen.
„Ich bin hier um dich zu warnen, Isaak“, sagte sie und blieb einen halben Meter vor ihm unschlüssig stehen. „Sequana und Bertrand sind da. Die Wohnung wird langsam etwas zu klein, um etwas Raum für sich zu haben ... zum Nachdenken zum Beispiel.“ Sie sah aus dem Fenster in den Regen.
„Sollten sie nicht zu viert kommen, oder erinnere ich mich falsch?“
„Es hat Tote gegeben“, Ninive sah Isaak wieder an. „Auch Professor Doignac hat es nicht geschafft.“
„Haben sie van Ijssel also tatsächlich in Amsterdam gefunden?“, vermutete Isaak. Dann sah er ihren Blick. „Oh, entschuldige. Ich habe ganz vergessen, dass du Doignac nah standst.“
Er zögerte nur eine Sekunde, dann nahm er sie in den Arm. Ninive lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Natürlich war sie traurig, als sie von Doignacs Tod erfahren hatte, doch nach allem, was sie erfahren hatte, hatte sie gemischte Gefühle gegenüber dem Professor. Was ihr wirklich gefehlt hatte war der Halt, den ihr Isaak gab, vermutlich ohne dass er es wusste. Auch deshalb hatte sie hier unten gewartet und ihn abgefangen, bevor die anderen ihn mit Fragen löcherten und mit ihren Informationen versorgten.
„Woher hast du die Mütze?“, fragte sie, als er sie aus seiner Umarmung entließ. „Die hattest du heute Morgen noch nicht.“
„Wirklich? Das interessiert dich mehr als das Paket?“, er klopfte mit dem Daumen auf den kleinen Karton in seiner Hand.
„Es ist eine schöne Mütze“, verteidigte sie sich. Isaak lachte, zog sich die Mütze vom Kopf und setzte sie ihr auf.
„Die habe ich von einem alten Freund, den ich besucht habe. Ich habe sie das letzte Mal bei ihm vergessen.“
Etwas später saßen sie alle zusammen in Evas Wohnzimmer vor dem großen Comscreen. Eine Landkarte war aufgerufen.
„Coolridge meinte, dass es nur einen Ort gäbe, der ihm bekannt ist, an dem sich die Children of Chou länger aufgehalten haben“, Isaak machte eine Geste und zoomte einen Bereich der Karte näher heran. „Hier befinden sich die ehemaligen Jylland-Kolonien. Der Versuch vor zwanzig Jahren, dauerhafte Besiedlung und Infrastruktur in der Nordseeregion hochzuziehen. Doch die große Sturmflut, die Amsterdam zerstört hat, setzte auch diesen Träumen ein Ende. Coolridge sagte, dass aber immer noch vereinzelte kleinere Siedlungen erhalten geblieben und hin und wieder Versorgungszüge nach dorthin unterwegs sind. Und über diesen Weg kamen Gerüchte nach Hamburg, dass am nördlichsten Punkt der Kolonien die Kimbrica-Station wieder ihre Forschungsarbeit aufgenommen haben soll.“
„Das könnte aber auch nur eine Aktion des Militärs sein“, entgegnete Sequana.
„Unwahrscheinlich“, warf Eva ein, „das Militär spielt in Hamburg kaum eine Rolle. Alle Aktivitäten außerhalb Hamburgs sind von den Forschungsinstituten und Ministerien. Und Dr. Coolridge hat die besten Kontakte.“
„Ich verstehe, dass du nicht schon wieder weiterziehen willst, Sequana“, schaltete sich Gallea ein, „aber wenn zur selben Zeit, in der zwei Klone verschwunden sind, die wahrscheinlich von den Children of Chou entführt wurden“, er sah zu Isaak, der bestätigend nickte, „an
Weitere Kostenlose Bücher