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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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Tages bei der Lektüre hängen. Im Stehen las er die
Artikel, die seine Aufmerksamkeit erregt hatten.
    Auf der Seite drei und im Lokalteil gab es ausführliche
Beiträge über »die problematischen Bauvorhaben des Oberbürgermeisters«. Die SPD -Fraktion im Rat der Stadt hatte den Anlass
geliefert. Sie übte scharfe Kritik an den »dubiosen Finanzierungsmodalitäten«
beim »Russen-Hochhaus« und kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung der
Ratssitzung am Donnerstag setzen zu wollen. »Oberbürgermeister Kostedde muss
sich hier klar und deutlich erklären, um Schaden vom guten Ruf unserer Stadt
abzuwenden«, forderte die SPD . Es sei
»unerträglich, dass Mutmaßungen über die Verwicklung krimineller Elemente in
zentrale Bauvorhaben der Stadt Düsseldorf im Raume stehen«.
    Stamm las beide Artikel aufmerksam und erkannte, dass die WZ -Redaktion über keine für ihn neuen Erkenntnisse
verfügte. Sie hatte lediglich die bekannten Fakten und Fragen zusammengetragen
– dies allerdings akribisch – und sie mit diversen Statements gewürzt. Außerdem
gab sie einen Überblick über die wichtigsten Gewerbe-Bauvorhaben in der Stadt
mit Hinweisen auf Planungsstand und Realisierungschancen, und beim Blick darauf
runzelte Stamm die Stirn.
    Interessanterweise wurde auch das Keilmeier-Projekt in Derendorf
aufgelistet, von dem bislang noch nicht öffentlich berichtet worden war. In
ihrer Kurzbeschreibung hob die WZ die Parallelen
und die daraus resultierende Konkurrenz zum »Russen-Hochhaus« hervor. Es war
klar, dass jemand die WZ – oder die SPD – geimpft haben musste. Während er überlegte, wer
es gewesen sein könnte, erinnerte er sich an einen Satz von Wanja vom Vortag,
dass die SPD das Thema in die Ratssitzung bringen
wolle – und an den Tee. Er nahm schnell das Netz aus der Kanne und goss sich
einen Becher mit dem schwarzen Gebräu voll.
    In der Redaktion nahm sich Stamm systematisch die anderen
Düsseldorfer Tageszeitungen vor. Der Express griff das Thema auf der Titelseite
auf, schließlich hatte er die Lunte am Samstag selbst gelegt. Die NRZ berichtete ähnlich ausführlich wie die WZ , während die Rheinische Post ihrer Linie, die SPD kleinzuhalten, treu blieb und nur einen Zweispalter
im Lokalteil brachte. Die Bild-Zeitung schließlich stieg schon größer ein,
unterstellte aber einen unredlichen parteipolitischen Angriff auf den
Oberbürgermeister und ging so gut wie gar nicht auf die offenen Fragen im
Zusammenhang mit den Bauvorhaben ein.
    Hanne Lohmeyer kam mit einer Tasse Kaffee aus der Redaktionsküche an
Stamms Schreibtisch vorbei und deutete auf die aufgeschlagenen Zeitungen.
    »Ist das was für uns?«, fragte sie beiläufig.
    »Weiß nicht«, erwiderte Stamm einsilbig. »Hat eher lokale
Bedeutung.«
    »Na ja«, sagte Hanne. Sie war vor Stamm stehen geblieben.
»Milliardenprojekte, Russenmafia, womöglich ein Mord. Würde sich vielleicht
doch lohnen, sich ein wenig damit zu beschäftigen. Vielleicht gehst du am
Donnerstag mal in die Ratssitzung. Wir sollten zumindest auf dem Laufenden
bleiben.«
    »Gute Idee«, stimmte Stamm rasch zu. Die Erleichterung, das Thema so
einfach abgehakt zu haben, war ihm anzusehen. Doch es sollte anders kommen.
    Kurz vor Mittag rief Richard Perschke, der gefürchtete Chef vom
Dienst, aus Hamburg an. Hanne telefonierte gerade auf einer anderen Leitung,
also bekam Stamm das Gespräch. Und das war in diesem Fall doppelt unangenehm.
    »Warum haben wir nichts über die Düsseldorfer Bau-Mafia im Netz?«,
bellte Perschke, ohne sich mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten.
    »Weil … nun, die Faktenlage ist noch etwas unsicher, bislang ist es
eher unwahrscheinlich, dass die Sache mehr als ein kleiner lokaler Aufreger
ist.«
    »Und wieso fährt es der Spiegel groß auf seiner Homepage ab?«,
fragte Perschke kalt.
    »Ich … ja, das weiß … Also es ist mir wirklich nicht klar … Der
Spiegel hat’s auf der Homepage?« Stamm biss sich auf die Lippen, als ihm
bewusst wurde, dass er sich wie ein Vollidiot verhaspelte. Er riss sich
zusammen. »Ich müsste erst lesen, was der Spiegel hat, aber ich kann mir nur
vorstellen, dass er bei den hiesigen Tageszeitungen gewildert hat. Und das sind
bislang nur gewagte Gerüchte. Politische Spielchen.« Stamm atmete unhörbar
durch, nachdem er die Kurve noch gekriegt hatte.
    »Politische Spielchen, ja?!«, sagte Perschke ruhig – aber alles
andere als beruhigend. »Herr Stamm, lassen Sie uns an dieser Stelle eine kleine
Pause einlegen, bevor

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