Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
Vom Netzwerk:
Gespräch und legte auf.
    Er rückte seinen Stuhl an den Schreibtisch heran und schrieb Namen
von Personen auf, die ihm bei der Recherche behilflich sein könnten. Dann ging
er die Namen durch, überlegte, ob sie Hilfreiches beitragen könnten,
beziehungsweise, ob eine Chance bestand, eine Auskunft zu bekommen, und strich
schließlich einen Namen nach dem anderen. Keilmeier, Korn, die LKA -Pressestelle, Wanja, Corinna Metzger, der
Bankdirektor Hubertus Faller, der Kollege von Spiegel online (Stamm grinste,
als er den Strich durch den Namenszug machte), Tutschkin (das Grinsen wurde
breiter). Übrig blieb Oberbürgermeister Achim Kostedde.
    Riesig war die Aussicht nicht, Kostedde für ein Interview zu
kriegen, aber wenigstens lohnte der Versuch. Stamm notierte für alle Fälle ein
paar Fragen und rief anschließend im Oberbürgermeisterbüro an. Er machte es
dringend. Heute oder gar nicht, der Redaktionsschluss drängte. Außerdem ließ er
ausrichten, dass er zur Not auch mit einem Telefonat vorliebnehmen würde, dass
aber ein persönliches Gespräch im beiderseitigen Interesse sinnvoller wäre.
Eine Viertelstunde würde reichen.
    Nach einer halben Stunde rief Frau Wieland, die Chefsekretärin, zurück
und bot einen Termin um vierzehn Uhr dreißig an.
    Stamm machte sich an die Arbeit. Er brauchte Kosteddes Aussagen
nicht unbedingt für seinen Artikel (wenn sie ihn auch effektvoll pimpen
würden), daher konnte er die Zeit bis halb drei gut nutzen.
    Kurz nach ein Uhr hatte er den Entwurf fertig und großen Hunger. Als
Hanne Lohmeyer aus der Mittagspause zurückkehrte, teilte er ihr mit, dass er
jetzt auch etwas essen und anschließend direkt zu Kostedde gehen werde. Kurz
nach drei werde er voraussichtlich zurück sein, um vier konnte er seinen
Artikel liefern – für den Fall, dass Perschke ungeduldig werden sollte.
    Zwei Grad, es nieselte. Stamm schlug den Kragen hoch, aber
eigentlich genoss er nach der konzentrierten Schreibtischarbeit in der
überheizten Redaktion die feuchte Kälte. Er schlenderte in die Altstadt. Als er
an der Heinrich-Heine-Allee ankam, hatte er noch eine Stunde Zeit bis zum
Termin mit Kostedde. Das reichte für eine Gulaschsuppe und ein Glas Schumacher
Alt im Goldenen Kessel auf der Bolkerstraße. Das Bier schmeckte trotz der Kälte
erstaunlich gut, er trank das Glas zu schnell aus, worauf ihm der Köbes im
Vorübergehen ein volles auf den Tisch knallte, bevor er piep sagen konnte. Als
Gegengift nahm er noch einen Kaffee, mit Kostedde sprach man besser nicht mit
ersten Dunstschleiern im Gehirn.
    Fünf Minuten vor halb drei betrat Stamm das historische Rathaus am
Marktplatz und ließ sich zum Büro des Oberbürgermeisters lotsen. Kostedde ließ
ihn zehn Minuten warten, dann wurde er hereingebeten. Die Schwere der
jahrhundertealten Stadtgeschichte lastete auf dem Raum. Dunkles Holz, wohin man
blickte, der Boden, die Wände, die Möbel. Fast wunderte sich Stamm, dass
Kostedde keinen Hermelinmantel und gepuderte Perücke trug wie der Kurfürst Jan
Wellem, sondern schwarzen Anzug und rot karierte Krawatte auf weißem Hemd.
    Stamm hatte trotz der Jahre, die er im Düsseldorfer Büro des
Magazins arbeitete, noch nie persönlich mit Achim Kostedde zu tun gehabt. Sein
Revier waren eher die Ministerien, weniger die Rathäuser im Land. Aus der Nähe
wirkten alle Merkmale in der Physiognomie des Oberbürgermeisters noch
ausgeprägter als auf Fotos: die Gesichtszüge schärfer, die Haare geföhnter, der
Blick hinter den Brillengläsern stechender.
    Kostedde stand auf, kam ihm entgegen und gab ihm die Hand.
    »Hans Stamm, Korrespondent des Magazins«, stellte sich Stamm vor.
    »Hat sich der gute Ruf unserer schönen Stadt endlich bis Hamburg
herumgesprochen«, erwiderte Kostedde. Seine Stimme war schneidend, ein Kontrast
zur einladenden Geste, mit der er Stamm zu einer Sitzecke mit drei Ledersesseln
lotste. »Sie wollen also einen Bericht über die blühende Wirtschaftslandschaft
in Düsseldorf schreiben.«
    Stamm zog die Jacke aus, legte sie auf die Lehne eines Sessels und
setzte sich. »Das könnte durchaus ein Aspekt in der Geschichte sein, für die
ich recherchiere. Es sieht ja so aus, als sei der Markt hier so umkämpft, dass
Investoren foul spielen müssen, um zum Zuge zu kommen.«
    Kostedde, der im Begriff gewesen war, sich zu setzen, hielt einen
Augenblick zähnefletschend inne. Stamm musterte sein Gegenüber und versuchte
vergeblich zu ergründen, ob er eine Drohgebärde oder eine Art Lächeln

Weitere Kostenlose Bücher