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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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Bach.
    »Ich versuche, mir ein Bild zu machen, von Dembski, von der ganzen
Situation, der Angela ausgesetzt war. Ich muss was Konkretes haben.«
    Bach dachte nach, aber nicht lange. »In meinen Aufzeichnungen steht
nichts, was auch nur entfernt mit Angela zu tun hat. Warum das alles aufwühlen?
Dembski hat seine Strafe.«
    Ein Blick in Bachs Augen sagte Stamm, dass es keinen Sinn haben
würde zu insistieren. Er wechselte das Thema.
    »Frau Dr. Terlinden sagte, Sie seien bis Mitte der achtziger
Jahre FDJ -Vorsitzender hier in der Gegend gewesen
mit den schönsten Aussichten auf eine steile Parteikarriere. Dann wurden Sie
plötzlich verhaftet. Was ist passiert?«
    »Ein Galgenvogel hatte behauptet, ich wollte mich in den Westen
absetzen. Man fand in meiner Wohnung einen gefälschten West-Pass, perfekt mit
Einreisestempel, und Unterlagen über ein Konto auf meinen Namen bei der
Stadtsparkasse Köln mit zwanzigtausend D-Mark drauf. Das hat mir drei Jahre
Bautzen eingebracht wegen versuchter Republikflucht und Spionage. Ich bin erst
wie alle anderen Politischen nach dem Mauerfall rausgekommen.«
    Stamm hatte so etwas erwartet, aber er stellte mehrere Sekunden lang
eine betroffene Miene zur Schau.
    »Steckte Dembski dahinter?«
    »Na sicher.« Bach schenkte Kaffee nach. »Ich konnte es ihm natürlich
nie beweisen, aber die Handschrift war eindeutig. Niemand sonst, den ich kenne,
hatte die Möglichkeit, so perfekte Dokumente zu beschaffen.«
    Stamm trank Kaffee. Er begann ihm den Mund auszutrocknen. »Was hatte
Dembski denn für einen Grund, Ihnen das anzutun?«, fragte er.
    Bach zuckte die Schultern. »Wir kannten uns ja schon viele Jahre,
und wir haben uns nie gemocht. Ich war damals auf dem Sprung,
Parteivorsitzender im Bezirk zu werden. Dembski sah wohl seine Macht in Gefahr.
Der vorige Parteivorsitzende war ein Hampelmann, den Dembski in der Tasche
hatte. Er war ja ein Meister krummer Geschäfte, was im Prinzip noch nicht zu
seinem Nachteil ausgelegt werden konnte. Als leitender Angestellter der KoKo
gehörten krumme Geschäfte zu seinem Aufgabenbereich. Aber eigentlich sollten
sie nur dem Westen schaden. Dass er die Partei übers Ohr haute, gehörte nicht
zu seinem Auftrag.«
    »So etwas hat er getan?«, fragte Stamm.
    »Verwerflich, nicht!? Und dabei narrensicher. Die alten Funktionäre
verstanden nicht im Entferntesten, was er tat. Die hatten nicht die geringste
Ahnung von wirtschaftlichen Zusammenhängen. Ich schon. Ich hatte immer ein
großes Interesse fürs Kaufmännische, weil sich immer deutlicher abzeichnete,
dass sich die DDR mit ihren
betriebswirtschaftlichen Analphabeten an der Spitze unweigerlich in den Ruin
manövrierte. Ich hätte Dembski hochgehen lassen können, obwohl ich zugeben
muss, dass ich nicht alle seine Winkelzüge verstanden habe. War im Endeffekt
auch egal. Er ist mir zuvorgekommen und hat mich ausgeschaltet. Ich war ihm
auch machtpolitisch nicht gewachsen.«
    »Ganz schön hart, drei Jahre Bautzen …«, sagte Stamm.
    »Ja«, brummte Bach.
    Stamm war froh, dass er es dabei bewenden ließ. Er hatte keine Lust
auf ein Klagelied über den Gefängnisalltag.
    »Sie sind aber nicht gleich nach Ihrer Entlassung nach Waren
zurückgekehrt?«
    »Nein, ich brauchte Abstand. Ich bin in den Westen gegangen.«
    »Nach Wuppertal?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie sagten vorhin, Dembski wäre über die Wupper gegangen, wenn er
etwas gegen Sie unternommen hätte. Sagt man das hier in Waren?«
    Bach lächelte anerkennend. »Burscheid. Ich habe auf einem Ökobauernhof
ausgeholfen. Die körperliche Arbeit war nach den drei Jahren lähmenden
Stillsitzens eine Wohltat. Ich bin ja auch von Hause aus Agraringenieur.«
    »Dann sind Sie nach Waren zurückgekehrt? Warum?«
    »Heimweh. Ich hatte schon eine Weile Ausschau nach einem Hof in der
Gegend gehalten. Als sich die Gelegenheit bot, habe ich zugegriffen.«
    »Und davon kann man leben?«, fragte Stamm zweifelnd.
    »Wenn man keine Ansprüche stellt. Ich bin in Bautzen genügsam
geworden.«
    Stamm ließ die vollkommen unpathetisch vorgebrachte Feststellung
nachhallen. Er beschloss, seine Skepsis aufzugeben.
    »Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass Sie einen Sack voll Sorgen
hatten, als Sie hier neu angefangen haben. Was ich deshalb nicht verstehe, ist
die Sache mit Angela. Warum haben Sie sich das auch noch zugemutet?«
    Bach starrte lange Zeit die Wand hinter Stamm an. Schließlich sagte
er: »Das ist nicht leicht zu erklären. Ich hab mich selbst oft

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