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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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gefragt, warum
ich mich da hineingestürzt hab. Und ich wäre glücklich gewesen, wenn ich in den
Spiegel hätte schauen und sagen können: Es war ein Gebot der Menschlichkeit.
Aber ich hab’s nicht nötig, jemandem etwas vorzumachen, am allerwenigsten mir
selbst. Sicher, die Tatsache, dass es gut für Angela war, hat die Entscheidung
bestimmt erleichtert. Aber der Wunsch, Dembski zu treffen, war ganz sicher
stärker. Warum soll ich es nicht zugeben? Die Genugtuung, ihm seine Tochter
wegzunehmen, sie aus seinen Klauen zu befreien, war unermesslich. Ich kenne
Angela praktisch seit ihrer Geburt. Die Partei-Hautevolee hat ja untereinander verkehrt,
auch wenn man sich nicht riechen konnte. Und Dembskis Töchter kamen irgendwie
nicht auf ihren Vater. Es waren ausgesprochen hübsche und nette Kinder, vor
allem Angela. Ich war schockiert, als ich ihr nach meiner Rückkehr zum ersten
Mal begegnet bin. Sie war so verstört und ängstlich, völlig verändert. Sie sah
auf die Welt wie ein Lamm in einem Wolfsgehege.«
    Nachdem Bachs letzter Satz verklungen war, legte sich über das Haus
die gleiche vollkommene Stille, die Stamm schon draußen im Nationalpark aufgefallen
war. Sie wirkte beunruhigend.
    »Und der Rest der Familie?«, fragte er schnell.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Bach zurück.
    »Na ja, wie hat sie es gesehen, dass Angela zu Ihnen gezogen ist?«
    Bach nickte kaum wahrnehmbar vor sich hin. »Da war ja nur noch
Angelas Mutter. Ihre Schwester Birgit ist so um die Zeit, als ich
zurückgekommen bin, ausgezogen, nach Berlin geflüchtet. Sie hatte den Kontakt
abgebrochen, später hat sie sich allerdings ab und zu bei Angela gemeldet. Und
die Mutter … das ist ein trauriges Kapitel. Erika stand so unter der Fuchtel
ihres Mannes, dass sie nicht im Entferntesten in der Lage war, sie vor Dembski
zu schützen. Das muss sie sehr gequält haben, wenn Sie mich fragen, war sie
froh, dass ich das übernommen habe. Aber Angela wollte nichts mehr mit ihr zu
tun haben. Es muss hart für sie gewesen sein, aber da war nichts zu machen.
Angela konzentrierte ihre Wut auf ihre Mutter, so musste sie sich nicht
eingestehen, dass es ihr … dass es Dembski war, der ihr diese furchtbaren Dinge
angetan hat.«
    »Entschuldigen Sie, aber da komm ich nicht ganz mit«, unterbrach ihn
Stamm.
    »Liegt doch auf der Hand«, sagte Bach ungeduldig. »Dass ihre Mutter
sie nicht beschützt hat, ist eine unumstößliche Tatsache. Aber damit ist nicht
gesagt, wer der wahre Verbrecher ist. Die Schuld der Mutter ist unabhängig
davon. Ein paar Monate, nachdem die Nachricht von Dembskis Tod kam, ist Erika
dann auch weg. Wahrscheinlich hat sie es nicht mehr ausgehalten, so nah bei
ihrer Tochter zu leben und trotzdem nicht mit ihr sprechen zu können. Sie soll
jetzt irgendwo in Thüringen leben, hab ich gehört. Dort kann sie sich einreden,
dass die Entfremdung an der Entfernung liegt.«
    Bachs Tonfall hatte sich zuletzt fast unmerklich ins Melancholische
verfärbt.
    »Machen Sie sich trotz allem Vorwürfe, dass Sie die Familie
auseinandergerissen haben?«, fragte Stamm irritiert.
    »Nein, wie kommen Sie darauf?«
    Stamm ließ es dabei bewenden. »Ich muss noch mal auf diese
zweiundzwanzig Seiten zurückkommen, die Sie über Dembski zusammengetragen
hatten«, sagte er. »Inwiefern konnten die ihn denn noch beunruhigen? Ich meine,
dass er die SED übers Ohr gehauen hat, war das
nach der Wiedervereinigung überhaupt noch justitiabel?«
    Bach lächelte, wobei er einen Ausdruck von Stolz nicht unterdrücken
konnte. »Natürlich habe ich dabei das aufgelistet, womit er der Bundesrepublik
geschadet hat. Da war sogar ein Ding dabei, das Dembski erst nach der
Wiedervereinigung gedreht hat.«
    »Ach ja?«
    »Die Abwicklung einer Rindermast in Neustrelitz, die er zusammen mit
einem Winkeladvokaten aus dem Westen durchgezogen hat. Das ist übrigens
geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie dreist und beschämend einfach sich
clevere Gauner nach der Wende auf Kosten der neuen Länder bereichert haben. Die
haben im Namen einiger angeblicher Investoren aus dem Westen den Mastbetrieb
für einen Spottpreis gekauft und sofort die Tiere, den einzigen echten Wert des
Betriebes, mit gewaltigem Gewinn im Westen verkauft. Im Gegenzug sollte auf dem
Gelände der LPG ein schmuckes Gewerbegebiet
entstehen. Sie können sich das Gelände ja mal ansehen. Die Stallruinen gammeln
immer noch vor sich hin. Dembski hat in diesem Spiel den Landkreis vertreten,
dem der Mastbetrieb gehörte. Tja,

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