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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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mit
denen er dann seine Geschäfte gemacht hat. Mein Mann war auch schon zu DDR -Zeiten einmal dort gewesen. Ja, und nach der Wende
gehörte das Haus dann Dembski. Ob er es gekauft hat? Ich weiß es nicht.
Vielleicht lief es auch schon immer auf seinen Namen. Wahrscheinlich wusste in
der DDR niemand davon. Außer vielleicht
Schalck-Golodkowski, aber der hatte nach der Wende andere Sorgen. Jedenfalls
konnten wir eine Weile dort wohnen, bis wir in Österreich richtig Fuß gefasst
hatten.«
    Die Frauen hatten sich wieder langsam in Bewegung gesetzt, Stamm
trottete in Gedanken versunken neben ihnen her.
    »Wie lang sind Sie in Österreich geblieben?«, fragte er schließlich.
    »Bis Anfang 2001«, antwortete Frau Müller ohne zu zögern. »Nach dem
Tod meines Mannes wollte ich nicht mehr dortbleiben. Ich konnte es mir auch
nicht mehr leisten.«
    Bei der Zeitangabe kniff Stamm unwillkürlich die Augen zusammen.
»Wie ist Ihr Mann gestorben?«, fragte er.
    »Autounfall«, krächzte sie. »Auf der Rückfahrt von einer Geschäftsreise
nach Salzburg ist er von der Straße abgekommen. Glatteis, hat die Polizei
gesagt.«
    »Das war ein paar Wochen nach dem Unglück von Kaprun, nicht wahr?«,
sagte Stamm. »Da ist Dembski gestorben, hab ich gehört.«
    »Ja.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wieso Dembski in der Bergbahn war? Ich
meine, wenn ich Sie richtig verstehe, war er doch nicht im Urlaub, sondern er
wohnte in Kitzbühel.«
    »Das stimmt. Er wohnte seit einigen Wochen in seinem Haus. Er ist
Anfang 2000 nach Kitzbühel gekommen. Warum er in der Bergbahn war? Ich weiß es
nicht. Vielleicht wollte er einen Ausflug machen. Ich glaube, er hat sich in
Kitzbühel gelangweilt.«
    Sie waren in der Zwischenzeit am Wasserturm und am Schloss Styrum
vorbeigegangen und näherten sich schweigend dem Haus der Rehbergers. Als sie es
erreichten, blieb die Gruppe unschlüssig stehen.
    Stamm sagte schließlich förmlich: »Frau Müller, ich möchte mich
herzlich dafür bedanken, dass Sie so offen gesprochen haben. Ich weiß das zu
schätzen.«
    Frau Rehberger ergriff nun wieder die Initiative. »Was wollen Sie
mit dem anfangen, was Ihnen meine Mutter erzählt hat? Erscheint das nun in
einem Artikel?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Stamm. »Es ist ein Mosaikstein in einer
Geschichte, von der ich noch nicht weiß, wie sie am Ende aussehen wird. Hätten
Sie etwas dagegen, wenn ich es verwende?«
    Die alte Frau sah Stamm lange an. »Sollte das, was ich gesagt habe,
irgendwie Angela Dembski helfen … Nur meine Tochter und ihre Familie hier in
Mülheim, die haben mit alldem nichts zu tun.«
    Er nickte zustimmend. Dann sah er den beiden Frauen nach. Als Frau
Rehberger die Haustür aufgeschlossen hatte, fiel ihm noch etwas ein.
    »Frau Müller«, rief er. Die alte Frau drehte sich um. »Eine letzte
Frage hätte ich noch: Wann genau war der Autounfall Ihres Mannes?«
    Sie zog leicht die Brauen hoch, ihr Mund formte sich zu einer Frage.
»Warum«, las Stamm auf ihren Lippen, doch sie sprach sie nicht aus.
    Stattdessen antwortete sie tonlos: »4. Dezember 2000.«

ELF
    Stamm hatte um sechs Uhr nicht mehr schlafen können und
war aufgestanden. Viertel vor sieben gesellte sich Eva zu ihm an den
Frühstückstisch.
    »Die Blutung ist weg«, sagte sie aufgekratzt.
    Sie wirkte ausgeruht und versprühte einen Tatendrang, der Stamm
beunruhigte.
    »Bist du aus dem Bett gefallen?«, fragte sie, während sie Butter auf
eine Scheibe Brot strich.
    »Ich gehe früher und kann dann hoffentlich auch früher nach Hause
kommen, um dir etwas zu kochen.« Er quittierte ihr sonnig-spöttisches Lächeln
mit einem grimmigen Blick. »Du hast strengstes Kochverbot, vom Einkaufen ganz
zu schweigen. Auch andere Hausarbeiten jedweder Art sind bei Todesstrafe
untersagt. Noch Fragen?«
    »Ja. Was mache ich, wenn mich mittags der kleine Hunger packt?«
    »Du rufst entweder den Pizzaservice oder gehst zum Kühlschrank. Da
gibt’s Brot, Nutella, Spreewaldgurken, was man so braucht für eine schmackhafte
Zwischenmahlzeit. Einkaufen tu ich später, wir müssten nur mal nachher
telefonieren, was ich holen soll.«
    Um halb acht saß Stamm an seinem Schreibtisch in den
Redaktionsräumen des Magazins und sah den in der letzten halben Woche
aufgelaufenen Stapel Post durch, bevor die anderen kamen. Die Prozedur wurde
kürzer als erwartet. Der größte Teil des PR -Mülls
wanderte ungelesen ins Altpapier beziehungsweise in den Papierkorb seines
Rechners. Lediglich die Zusendung einer

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