Soljanka (German Edition)
den?«
»Jetzt stecken wir mitten im Dilemma«, erwiderte Stamm. »Sie haben’s
eilig, aber das mit van Wateren ist eine längere Geschichte.«
»Versuchen Sie’s mit der Kompaktversion! Wenn Fragen offen bleiben,
schaufel ich noch ein paar Minuten frei.«
Stamm fasste die Vorkommnisse in Waren einigermaßen lückenlos
zusammen und war bei den Verdachtsmomenten gegen van Wateren angekommen, als
Korn seinen letzten Schluck Kaffee getrunken hatte.
»Und da verliert sich seine Spur«, schloss Stamm. »Er kehrte nach
Düsseldorf zurück, verschwand kurz danach aber von der Bildfläche. Es gibt vage
Hinweise auf einen Flug nach Thailand, aber ich habe keine Ahnung, was das für
Hinweise sind, ja nicht einmal, ob er den Flug überhaupt angetreten hat.
Seitdem hat man wohl nichts mehr von ihm gehört. Ich gebe aber zu, dass ich
bisher noch nicht besonders gründlich gesucht habe. Ich wäre echt neugierig,
was passiert ist. Hatte er Angst, dass Justitia ihm doch auf die Schliche
kommt? Oder vor einem Racheakt, und wenn ja, von wem? Hatte er vielleicht auch
hier Dreck am Stecken? Wenn das Bild stimmt, das meine Gewährsleute in Waren
zeichnen, könnten wir es mit einem kleinen Psychopathen zu tun haben. Oder ist
er vielleicht gar nicht geflüchtet, sondern ist geräuschlos und ohne Spuren
beseitigt worden?«
Stamm biss von seinem Sandwich ab und sah Korn erwartungsvoll an.
Korn schürzte die Lippen und nickte ein paarmal vor sich hin. Dann stand er
auf, um sich noch einen Kaffee zu holen. Stamm bat ihn, ihm einen
mitzubringen..
»Tja«, hob der Kommissar an, als er wieder da war, »Fakt ist, dass
van Wateren bis heute als vermisst gilt. Ein ungelöster Fall. Es ist nach so
vielen Jahren natürlich nicht leicht, sich anhand der Akten ein klares Bild zu
machen. Aber es ist ziemlich sicher, dass die Ereignisse aus Mecklenburg bei
unseren Ermittlungen hier keine Rolle gespielt haben. Sie waren den Kollegen
damals mit einiger Sicherheit gar nicht bekannt. Sonst wäre wohl mit mehr
Nachdruck ermittelt worden.« Er fixierte Stamm plötzlich. »Ich muss Sie noch
mal nachdrücklich fragen, warum Sie sich für van Wateren interessieren.«
Stamm erwiderte den Blick mit einem mild spöttischen Lächeln. »Ich
dachte, das hätte ich gerade ausführlich getan.«
»Die alte Mecklenburg-Geschichte, okay.« Korn klang ein wenig ungeduldig.
»Aber was daran ist eigentlich heute für das Magazin von Interesse? Ich meine,
wir haben hier einen mehr als fünfzehn Jahre alten Kriminalfall, der zugegeben
wegen des Mädchens bis heute eine gewisse Tragik hat, aber es fällt mir schwer
zu glauben, dass das für das Magazin eine große Story ist.«
»Ich bin ja auch keineswegs sicher, ob da eine große Story
drinsteckt. Das will ich ja gerade herausfinden. Warum sind Sie eigentlich so
misstrauisch?«
Korn sah ihn nachdenklich an. »Okay, direkt gefragt: Hat Ihr
Interesse mit unserem aktuellen Mordfall zu tun?«
Stamm runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ja oder nein?«
»Nein. Aber Sie haben mich neugierig gemacht. Gibt es denn einen
Zusammenhang zwischen van Wateren und dem Mord an Nellissen?«
»Ich bin nicht befugt, Auskunft über unsere Ermittlungen zu geben.«
Stamm gähnte demonstrativ. »Kann es sein, dass wir uns gerade im
Kreis drehen? Sie haben mich doch hoffentlich nicht deshalb hierherbestellt, um
mir zu sagen, dass Sie nichts sagen können.«
»Ich möchte mir nur über Ihre Motive klar werden«, sagte Korn nach
kurzer Überlegung. »Eins will ich klar feststellen: Ich will hier keine
Stichworte für eine wilde politische Räuberpistole geben.«
»Ah«, machte Stamm, während er in sein Sandwich biss. »Allmählich
beginne ich zu verstehen, woher der Wind weht. Glauben Sie, ich suche Material
gegen unseren Oberbürgermeister?«
Korn schwieg.
»Es geht um RK und Partner,
stimmt’s?«, fuhr Stamm fort. »Sie haben herausgefunden, dass van Wateren dort
beschäftigt war und dass die Kanzlei jetzt auch den Hochhaus-Deal beurkunden
soll. Aber ich kann Sie beruhigen. Wo soll denn da der Zusammenhang sein? Van
Wateren ist seit über fünfzehn Jahren weg vom Fenster.«
»Nun, ich kann auch keinen erkennen, aber kann ja sein, dass Sie
sich etwas in der Richtung erhofft hatten.«
Stamm schüttelte den Kopf. »Was sagt denn die alte Akte?«
Korn holte seinen Notizblock hervor. »Allzu viel war es nicht. Van
Wateren ist von seinen Eltern vermisst gemeldet worden. Offen gesagt scheint
mir, dass am Anfang nicht
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