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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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hätte sich das fehlende Teil zu einem Puzzle gefunden.
Das erklärt das ganze Verhalten des Jungen. Das Einzige, was ich nicht
verstehe, ist, warum er noch geschwiegen hat, als der Verdacht gegen ihn so
bedrohlich wurde.«
    »Die Mutter sagt, er habe den Ernst der Lage erst allmählich
verinnerlicht und sei im Begriff gewesen, die Wahrheit zu sagen.«
    »Mein Gott«, murmelte März. Beide schwiegen eine Weile. Schließlich
sagte März: »Wenn es wirklich so war, dann dürfte die Unschuld des Jungen
feststehen. Mit Birgit haben Sie aber noch nicht gesprochen, oder?«
    »Bitte? Sie ist doch seit Jahren spurlos verschwunden.«
    »Ach du liebe Zeit. Sie auch? Das wusste ich nicht. Birgit spielte
in den Ermittlungen ja keine Rolle. Sie müssen sie ausfindig machen. Haben Sie
nicht Kontakt zur Schwester und zur Mutter?«
    »Doch, schon. Aber die wissen nicht, wo sie ist. Man munkelt, in
Berlin, aber keiner weiß es.« Er machte eine Pause. »Aber Sie haben natürlich
völlig recht. Birgit ist der Schlüssel. Da hätte ich auch selbst drauf kommen
können.«
    Gleich nach dem Telefonat setzte sich Stamm an den Computer und
googelte die Rehbergers. Er fand tatsächlich einen Eintrag im örtlichen
Telefonbuch von Mülheim. Er notierte sich Adresse und Telefonnummer. Ein
Versuch mit Birgit Dembski ergab null brauchbare Treffer. Dann nahm Stamm den
Stadtatlas Rhein-Ruhr zur Hand und schlug die Adresse der Rehbergers nach. Er
fand die Straße in Mülheim-Styrum. Er überlegte, ob er anrufen sollte,
entschied sich aber dagegen. Die direkte Konfrontation kam ihm
erfolgversprechender vor. Und die Fahrt nach Mülheim würde nur eine halbe
Stunde dauern. Eva hatte nichts dagegen, zwei Stunden allein zu bleiben,
»solange ich nachher etwas Anständiges zu essen bekomme«.
    Das Heim der Rehbergers war eine unscheinbare Doppelhaushälfte
in einer ruhigen Wohnstraße mit Blick auf einen markanten historischen
Wasserturm mit einer noch markanteren geschwungenen Außentreppe, die auf halber
Höhe in den Backsteinturm mündete. Aus Hinweisschildern erschloss sich Stamm,
dass dort wohl das Aquarius-Wassermuseum im Ruhrtal untergebracht war.
    Stamm schlenderte einmal am Haus vorbei, aber es drang keinerlei
Lebenszeichen nach außen. Die Bewohner konnten weg sein, oder sie schliefen,
sie konnten am Mittagstisch sitzen, vielleicht waren auch die Wände einfach gut
gedämmt und ließen keinen Laut heraus. Stamm sah auf die Uhr. Zwanzig nach eins.
Sonntag. Kein guter Zeitpunkt, um unangemeldet intime Erinnerungen zu erfragen.
Er lief hundert Meter die Straße hinunter, wartete eine Weile, schlenderte dann
zurück und setzte sich schließlich wieder ins Auto, als er zu frieren begann.
Er dachte nach, wie er das Gespräch angehen sollte.
    Plötzlich tat sich etwas. Die Haustür der Rehbergers flog auf, und
ein etwa achtjähriger Junge in einem blauen Trainingsanzug stürmte heraus. Er
schleppte sich an einer Sporttasche ab, die halb so groß war wie er, schaffte
die paar Meter bis zu einem am Straßenrand geparkten Opel Vectra Kombi und ließ
die Tasche dort in den Schneematsch fallen.
    Eine korpulente Frau mit einem Kurzhaarschnitt, der ihre resolute
Erscheinung unterstrich, kam schimpfend hinterhergelaufen und hob die Tasche
auf. Sie warteten gemeinsam, bis auch der Vater mit dem etwas größeren Bruder,
beide ebenfalls im Sportdress, herauskamen. Die beiden Jungs wurden im Auto
festgeschnallt, dann fuhren die männlichen Rehbergers davon. Die Mutter winkte
ihnen kurz nach, sie betrachtete eine Weile den inzwischen klarblauen Himmel
und ging, die Arme fröstelnd um ihre nackten Arme verschränkt, zurück ins Haus.
    Stamm wartete ein paar Minuten. Er hatte sich gerade entschlossen,
Frau Rehberger und, wie er hoffte, ihrer Mutter einen Besuch abzustatten, als
die Tür erneut aufging. Zwei Frauen traten heraus, die korpulente
Mittdreißigerin von vorhin, jetzt in eine rote Steppjacke gehüllt, und eine
ältere in einem langen schwarzen Mantel. Trotz des Kopftuches, das sie trug, war
die Ähnlichkeit mit der jüngeren Frau unverkennbar. Sie hakte sich bei ihrer
Tochter ein, dann überquerten beide direkt vor Stamms Wagen die Straße. Stamm
tat, als studiere er einen Stadtplan.
    Er gab den beiden Frauen fünfzig Meter Vorsprung, stieg dann aus und
folgte ihnen. Sie gingen in Richtung Wasserturm, überquerten die Hauptstraße
und betraten einen kleinen Park, in dessen Mitte ein schlichtes, malerisches
Schlösschen stand. Im Café im Erdgeschoss hatten

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