Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
sich in Jean-Jacques Rousseaus Confessions von 1782 . Also lange vor der Revolution. Danach hat Marie Antoinette, als sie eine Delegation von Bauern empfing, die Brot forderten, geantwortet: »Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Brioches essen.«
Die Geschichte hat sich, wie so viele Witze, weiter und weiter entwickelt, eine aparte Version wird Elisabeth II . zugeschrieben.
Die englische Königin fährt mit ihrer königlichen Kutsche über die Tower Bridge, als sich ein Bettler vor die Kutsche wirft und ihr, als sie hält, zuruft: »Majestät, ich habe seit einer Woche nichts gegessen!«
Und die Königin antwortet: »Sie müssen es machen wie ich. Sie müssen sich zwingen.«
Das ist die Diätversion der Marie Antoinette im Zeitalter der drohenden Magersucht. Was die höheren Ansprüche einer königlichen Familie angeht, so kann man in die Biografie von Elisabeth II . zurückschauen. Viele Jahre, bis zu ihrer Hochzeitsnacht mit ihrem Prinzgemahl Philip.
Hochzeitsnacht des hohen Paares. Beim Aufwachen fragt Elisabeth ihren Gemahl:
»Sag mal, Philip, ist das, was wir gemacht haben, das, was das gemeine Volk Liebe nennt?«
»Yes, dear«, antwortet Philip, »they call it making love.«
»Well«, sagt Elisabeth, »I think it is too good for them.«
Doch zurück zu den Österreichern, zurück zu den Deutschen. Und fangen wir auch hier am Ende an, in der Zeit, als der Krieg Großdeutschlands verloren und es Österreich gelungen war, sich vor der Geschichte als das Volk darzustellen, das als erstes Opfer der Hitler’schen Überfall-Kriege zu gelten hat. Vom Täter zum Opfer – eine grandiose Geschichtskorrektur.
In Wahrheit war sie der Tatsache zu verdanken, dass Österreich, aus einer Großmacht und einem Vielvölkerstaat zu einem kleinen, aber kulturell feinen Alpenland geschrumpft, einen Vertrag als neutrales Land mitten im Kalten Krieg bekam, eine Wiedervereinung der Teile Wiens und Österreichs, also vor allem des Burgenlandes und Niederösterreichs unter Abzug aller Besatzungsmächte. Ost- wie Westmächte hatten sich auf die Neutralität Österreichs einigen können.
Die Vergangenheit ließ sich so lange schönen und begradigen, bis Kurt Waldheim, Generalsekretär der Vereinten Nationen, zum Präsidenten Österreichs gewählt wurde und seine dubiose Rolle in der deutschen Wehrmacht auf dem Balkan und in Griechenland ans Licht kam. War er an der Ermordung von Partisanen und Juden beteiligt gewesen? War es nur ein zynischer Witz, wenn der österreichische Bundeskanzler Fred Sinowatz mutmaßte, nur das Pferd des jetzigen Präsidenten sei in der Reiter- SA gewesen?
Billy Wilder erzählte mir die Geschichte seines geliebt-gehassten Heimatlandes Österreich so:
Die Österreicher haben das Kunststück fertiggebracht, aus Beethoven einen Österreicher und aus Hitler einen Deutschen zu machen.
Damals verkehrte im Hause Wilder der britische Maler David Hockney, dem es die vielen Schwimmbecken Hollywoods angetan hatten, sodass er sie zu lebensfrohester Pop-Art verwandelte. Auch er wusste eine Beethoven-Geschichte, die allerdings nicht mit der Politik, sondern mehr mit Beethovens Krankheit, seiner fortschreitenden Taubheit zu tun hatte. Übrigens verlor Hockney ebenfalls sein Gehör. Sein Witz hatte also etwas vom Pfeifen im Walde.
»Beethoven«, so erzählte Hockney, »war in seinem späten Leben allmählich so taub, dass er dachte, er sei ein Maler.«
Der letzte Habsburger, Otto Habsburg, wie er in Österreich zu heißen hatte, nachdem dort nach 1919 das Tragen von Adelstiteln verboten worden war, ist erst kürzlich im biblischen Alter von 98 Jahren gestorben. Er war bayerischer CSU -Abgeordneter im Europaparlament, ein durch und durch konservativer Mann, der ganz in der Gedankenwelt des k. u. k.-Staates lebte, ohne den Boden der Gegenwart unter den Füßen zu verlieren. Nach und während Hitlers Annektion Österreichs, die von der Mehrheit der Österreicher 1938 frenetisch als großdeutsche Befreiung von den Fesseln des Versailler Vertrags gefeiert wurde, die »Anschluss« hieß und deren Devise »Heim ins Reich!«, verhalf Habsburg, der Verbindungen zu Spaniens Franco-Regime hatte, vielen österreichischen Juden zur Flucht über Spanien nach Amerika und bewahrte sie damit vor dem sicheren Tod. Ein fürsorglicher Landesvater ohne Land. Er lebte in Bayern und durfte Österreich, bis er 1961 das sogenannte Habsburger Gesetz unterzeichnete, mit dem er auf
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