Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Herrschaftsansprüche in Österreich verzichtete, nicht betreten.
Die folgende Geschichte erzähle ich voller Respekt vor dem letzten Habsburger, der es fast noch auf den Thron geschafft hätte und der, soviel ich gehört habe, die meisten Sprachen seiner Kronländer beherrschte. Ungarisch und Tschechisch und auch Kroatisch.
Habsburg kommt an einem Mittwoch ins Europaparlament in Straßburg und findet es zu seinem Erstaunen fast menschenleer.
»Wo sind denn alle? Was ist denn los?«, fragt er den Pförtner.
»Ja, wissen Sie nicht, Herr Doktor, dass heute eine Fernsehübertragung eines Fußballländerspiels ist?« So klärt ihn der Pförtner auf. Und fügt hinzu: »Österreich–Ungarn!«
Darauf Otto von Habsburg: »Gegen wen?«
Über das Verhältnis zwischen Deutschen und Ösis (die Deutschen hießen übrigens hartnäckig noch lange Zeit »Reichsdeutsche« und wurden vom Volksmund in Österreich schon im 19 . Jahrhundert »Piefkes« genannt) gibt es viele Geschichten.
Helmut Qualtinger, der große Wiener Volksschauspieler und Kabarettist, hat zum Beispiel in einer einmaligen Tonaufnahme Karl Kraus’ berühmte Satire über das Weltende des Ersten Weltkriegs, die Letzten Tage der Menschheit, sämtliche Nuancen und Dialekte der deutschen Sprache mit dem historischen Timbre zum Klingen gebracht: vom preußischen Offizier, bis zum k. u. k.-Hofbeamten, vom frenetischen Kriegsberichterstatter bis zum sogenannten kleinen Mann auf der Straße. Eine großartige ethnografische Leistung, wie er das seismografische Festhalten an österreichischen Befindlichkeiten im Schlachthaus des Ersten Weltkriegs, des hochempfindlichen, hochverletzlichen Ohrenzeugen Karl Kraus von geschriebener zu gehörter Sprache gebracht hat.
Ein österreichischer General (im Kreise seiner Offiziere) : An keinem von uns, meine Herrn, is der Krieg spurlos vorübergegangen, wir können sagen, wir ham was glernt. Aber, meine Herrn, fertig sind wir noch lange nicht – da ham wir noch viel zu tun, oje! Wir ham Siege an unsere Fahnen geheftet, schöne Siege, das muß uns der Neid lassen, aber es is unerläßlich, daß wir fürn nächsten Krieg dieOrganisation bei uns einführn. Gewiß, wir ham Talente in Hülle und Fülle, aber uns fehlt die Organisation. Es müsste der Ehrgeiz von einem jeden von Ihnen sein, die Organisation bei uns einzuführn. Schaun S’ meine Herrn, da können S’ sagen, was Sie wolln gegen die Deutschen – eines muß ihnen der Neid lassen, sie ham halt doch die Organisation – ich sag immer, und darauf halt ich: wenn nur a bisserl a Organisation bei uns wär, nacher gingets schon – aber so, was uns fehlt, is halt doch die Organisation. Das ham die Deutschen vor uns voraus, das muß ihnen der Neid lassen. Gewiß, auch wir ham vor ihnen manches voraus, zum Beispiel das gewisse Etwas, den Schan, das Schenesequa, die Gemütlichkeit, das muß uns der Neid lassen – aber wenn wir in einer Schlamastik sind, da kommen halt die Deutschen mit ihnerer Organisation und –
Ein preußischer Leutnant (erscheint in der Tür und ruft nach hinten) : Die Panjebrüder solln sich mal fein gedulden, das dicke Ende kommt nach! (stürmt in das Zimmer, ohne zu salutieren, geht geradezu auf den General los und ruft, ihm fest ins Auge sehend) Na sagen Se mal, Exzellenz, könnt ihr Östreicher denn nich von alleene mit dem ollen Uschook fertich werden? (Ab.)
Der General (der eine Weile verdutzt dagestanden ist) : Ja was war denn nacher das? (sich an die Umstehenden wendend) Sehn S’ meine Herrn – Schneid haben s’ und was die Hauptsach is – halt die Organisation!
Ein Randthema zwischen Ösis und Piefkes sind die Bayern, die, was ihre oberbayerischen Berge, ihren Dialekt, ihre Häuser und ihre Sitten und Gebräuche angeht, »eigentlich« (aber was heißt schon eigentlich?) besser zu Österreich passen undgehören als zu Deutschland. Da liegt die »kleindeutsche« Lösung quer, trotzdem denkt man, gehört Schleswig-Holstein eher zu Dänemark und Bayern eher zu Österreich, sie sind einander jedenfalls in der gemeinsamen Bundesrepublik nur durch die gemeinsame Geschichte seit 1870 verbunden, wo Bismarck dem König Ludwig II . von Bayern seine Zustimmung zum »Deutschen Reich« mit dem »Reptilienfonds« der Welfen abkaufte. Auch nach 1945 waren sich die Gebiete zunächst durch die amerikanische Besatzung näher. Und Bayern empfand von jeher Preußen, und dass es von Berlin aus regiert wurde, als Stachel im weiß-blauen
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