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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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war das geflügelte Wort, die Lebenslüge des SED -Staats.
    »Gänsefleisch«, das war die Losung der (in den Ohren der Transitreisenden) meist sächsisch sprechenden Grenzer. »Gänsefleisch Ihren Kofferraum aufmachen«, sagten sie, wenn sie ein Transitauto kontrollierten. Dieses »Gänsefleisch« hallt noch nach in dem Witz von der Glienicker Brücke. In der Frage aus dem Kofferraum: »Sin mir schon drüben?«
     
    Sächsisch wird auch der Ulbricht-Witz erzählt, in dem seine Frau Lotte Geburtstag hat.
     
    »Nu«, fragt Ulbricht, der Generalsekretär des ZK und allmächtiger Prokonsul der Sowjetmacht in der DDR , »nu, Lotteschen, was wünschst du dir zum Geburtstag?«
    Sagt sie: »Ach gönntest du nich ein Tag lang die Mauer aufmachen?«
Antwortet er: »Kleiner Schäker, nu, du möchtest wohl allein mit mir sein bei der Geburtstagsfeier!«
     
    Eckart von Hirschhausen erzählte bei unserem gemeinsamen Auftritt eine Variante, bei der Ulbricht Marilyn Monroe fragt, was sie für eine Nacht mit ihm wohl verlange. Und sie sagt ebenfalls: Er möge doch dafür die Mauer öffnen. Wieder lautet die Pointe, wie eben erzählt: Sie möchte wohl beim Tête-à-Tête mit ihm allein sein.
     
    Im normalen auf Sächsisch vorgetragenen Witz spielt die Weichheit dieses Idioms eine große Rolle. So beim Liebesspiel des sächsischen Paares, als der Liebhaber in schier überschäumender Leidenschaft seine Partnerin aufstöhnend bittet: »Gib mir wilde Tiernamen, nenn misch Bumä!« (Puma!)
    Im politischen Witz der DDR korrigierte die konsonantenerweichende Aussprache den schrecklichen Ernst der Lage – und sei es auch nur den der Instruktionsstunden. Beispielsweise in der Schule, wo es oft um die westlichen Kolonialkriege ging, etwa jenem in Angola, wo die Guerilleros und ihre kubanischen Verbündeten die Kolonialmacht Portugal bekämpften.
     
    Fragt der Lehrer in der Schule:
»Was wisst ihr von Angola?«
    Antwortet das Fritzchen in der Schule von Karl-Marx-Stadt: »Angola (an Cola) gönnte isch misch dodsaufen.«
     
    Da waren Angola und das verpönte Getränk des Kapitalismus Coca-Cola auf Sächsisch zu einem Wort verschliffen.
    Auch der Witz von der Marxistisch-Leninistischen Instruktionsstunde klingt am besten sächsisch im Ohr.
     
    Instruktionsstunde für die Werktätigen im Marxismus-Leninismus. Lang und breit schildert der Kaderleiter Marx, sein Leben, sein Wirken, dass er Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt habe, das Kapital geschrieben und mit Engels zusammen das Kommunistische Manifest verfasst habe: »… Ihr habt nichts zu verlieren als eure Ketten … Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« Und der am Ende nach dem Resümee die Kursteilnehmer fragt, ob noch irgendetwas unklar geblieben sei.
Einer der Teilnehmer hebt die Hand: »Genosse, isch habe noch eene Fraje. Is der Marx (Mars) nu bewohnt oder unbewohnt?«
     
    Auch darin verbirgt sich ein Wanderwitz, der Regime und Zeiten überdauert. Etwas wird geduldig erklärt – und am Ende stellt jemand eine Frage, die offenbart, dass zumindest einer der Zuhörer nichts, aber auch gar nichts verstanden hat.
     
    Die mir bekannte Urversion spielt am Kaiserhof in Berlin. Da gab es einen Kreis bildungsbeflissener und bildungshungriger Prinzessinnen, die sich ab und zu einen Gelehrten, eine Koryphäe einladen, um sich von ihm populärwissenschaftliche neue Erfindungen, Entdeckungen und Phänomene erklären zu lassen. Einmal geht es um die damals phänomenale Erfindung des transatlantischen Kabels, das von Siemens 1874 entwickelt worden war.
Die Prinzessinnen haben einen Gelehrten der Technischen Universität zu sich geladen. Der gibt sich alle Mühe, den erlauchten Damen die neue technische Errungenschaft nahezubringen und zu erläutern.
Er endet nach einer Stunde. Verhaltener Applaus wird hörbar. Die Damen danken diskret und höflich. Eine preußische Prinzessin, die diesmal die Runde zu Tee und Biskuits geladen hat, dankt dem Professor mit bewegten Worten.
    »Sehr verehrter, lieber Herr Professor. Ich danke Ihnen sehr, im Namen der anwesenden Damen, dass Sie sich die Mühe gegeben haben und dass es Ihnen auch, Sie merken es am Kopfnicken und am Applaus der anwesenden Damen, gelungen ist, die hochkomplizierte Materie uns nahezubringen und zu erklären. Dank Ihres pädagogischen Vermögens ist es Ihnen geglückt, dass wir einen so verwickelten Vorgang aus der Elektrizität durch und durch verstanden haben.«
    Wieder höflicher bis herzlicher Beifall. Die Prinzessin

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