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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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eilt auf den Gelehrten zu, um ihm die Hand zu schütteln. Vorher hält sie inne. Und sie sagt:
»Ich habe nur noch eine Frage.« Sie blickt den Gelehrten strahlend an. »Wie kommt es, dass die Telegramme auf dem Weg über den Atlantik nicht nass werden?«
     
    Ehe jemand merkt, dass es sich um eine Art frauenverachtenden Witz handelt, schnell zurück oder voraus in die Zukunft nach 1989 und die Wiedervereinigung, die mit der Freiheit auch die Freiheit der grenzüberschreitenden Prostitution brachte. Denken wir an ukrainische Frauen, die mit Visa-Tricks in eine neue Sklaverei im Westen gebracht wurden. Oder auch an die Kinderprostitution an der neuen deutsch-tschechischen Grenze.
    Der folgende Witz, von entwaffnender Tristesse, spielt in Hamburg, im hochberühmten Rotlichtmilieu der Reeperbahn, das nach dem Fall der Mauer auch Ossis zugänglich ist.
     
    Da kommt ein Ossi, frisch bewaffnet mit Begrüßungsgeld, und fragt eine am Straßenrand stehende Hure – natürlich auf Sächsisch: »Nu, was kriesch isch für fünf Mark von dir?«
    Sie mustert ihn verächtlich von Kopf bis Fuß: »Für fünf Mark? Da kannste dir einen runterholen.«
    Er zieht mit eingezogenem Kopf ab.
    Nach fünf Minuten ist er wieder da.
    Die Liebesdienerin schaut ihn an: »Was willst ’n du schon wieder?«
    Da sagt er traurig und zückt seinen Geldbeutel: »Na, bezahlen.«
     
    Dieser Ossi hat sich schnell in das neue Wirtschaftssystem eingelebt.
WITZE AUS DER BESATZUNGSZEIT
SCHWIMMEN UND
NICHTSCHWIMMEN
    Zuerst ein Witz aus der Zarenzeit, in der das Opfer meist ein Jude war.
     
    Jakob, ein russischer Jude, rutscht eines Tages auf dem nassen Flussufer aus und fällt ins Wasser. Da er nicht schwimmen kann, droht er zu ertrinken.
Zwei zaristische Polizisten eilen zur Hilfe herbei. Als sie sehen, dass es sich um einen Juden handelt, lachen sie ihn nur aus und sehen tatenlos zu, wie er langsam zu ertrinken droht.
»Hilfe, ich kann nicht schwimmen«, ruft Jakob.
»Dann musst du eben ertrinken«, erwidern die Polizisten.
Plötzlich brüllt Jakob mit letzter Kraft: »Nieder mit dem Zaren, nieder mit Nikolaus II .!«
Sofort stürzen sich die Polizisten in den Fluss, ziehen Jakob heraus und verhaften ihn wegen Unruhestiftung.
     
    Ben Lewis, der diesen Witz in seinem Komischen Manifest erzählt, sagt übrigens, dass sich die politischen Witze über Zar Nikolaus II . ohne Mühe und viel Federlesens auf Stalin übertragen ließen.
    Es sind Witze von Verfolgten, Unterdrückten, Schwächeren, die der Willkür der Mächtigen ausgesetzt sind. So fühlen sich auch die Deutschen als Kriegsverlierer gegenüber den Besatzern. Dass eine solche als Unrecht empfundene Unterdrückung nationalistische Reaktionen hervorruft, erzählt Bertolt Brecht in den Geschichten von Herrn Keuner.
     
    Vaterlandsliebe, der Haß gegen Vaterländer
     
    Herr Keuner hielt es nicht für nötig, in einem bestimmten Lande zu leben. Er sagte: »Ich kann überall hungern.« Eines Tages aber ging er durch eine Stadt, die vom Feind des Landes besetzt war, in dem er lebte. Da kam ihm ein Offizier dieses Feindes entgegen und zwang ihn, vom Bürgersteig herunterzugehen. Herr Keuner ging herunter und nahm an sich wahr, daß ergegen diesen Mann empört war, und zwar nicht nur gegen diesen Mann, sondern besonders gegen das Land, dem der Mann angehörte, also daß er wünschte, es möchte vom Erdboden vertilgt werden. »Wodurch«, fragte Herr Keuner, »bin ich für diese Minute ein Nationalist geworden? Dadurch, daß ich einem Nationalisten begegnete. Aber darum muß man die Dummheit ja ausrotten, weil sie dumm macht, die ihr begegnen.«
Die Vaterlandsliebe, sagte Herr Keuner, ist wie jede Liebe eine freiwillige Bürde und ist also höchstens noch für den geliebten Gegenstand lästig. Anders ist es mit der Vaterlandsliebe, die als Haß gegen andere Vaterländer auftritt. Sie ist für alle lästig.
     
    So sind auch die beiden folgenden Geschichten nicht frei von hämischer Schadenfreude und manifestieren auch den latenten Rassismus, der nach 1945 herrschte.
     
    Ein farbiger Besatzer der US -Armee klemmt sich beim Zuschlagen der Coupétür (die Züge hatten damals oft noch Abteile, die eigene Türen hatten, die man fest zuschlagen musste) den Finger ein. Stumm vor Schmerz rinnen dem Armen die Tränen aus den Augen.
Ein schwäbischer Bauer schaut ihn scheinheilig mitleidsvoll an und fragt: »Heimweh?«
     
    Von kleinlich verklemmter Revanche der gedemütigten »Herrenmenschen« an den neuen

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