Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
entlassen.
Die Sowjetunion und ihre Satelliten bildeten einen Gottesstaat ohne Gott, wo der Katechismus von den jeweiligen Parteigremien bestimmt wurde, als ständig neu zu schärfende Guillotine für Schauprozesse.
Hier ein Witz über das grauenhafte Einmaleins der Gehirnwäsche:
Ein kommunistischer Funktionär verkündet auf einer Versammlung: »Zwei mal zwei ist sechs.« Seine Worte werden mit tosendem Applaus aufgenommen.
Aber da ruft jemand von hinten: »Das stimmt nicht. Zwei mal zwei ist vier.« Der Mann wird auf der Stelle verhaftet und landet für zwanzig Jahre im Lager.
Nach seiner Rückkehr aus Sibirien nimmt er erneut an einer Versammlung teil, wo er dieselben kommunistischen Funktionäre auf dem Podium erkennt, die unter lautem Applaus verkünden: »Zwei mal zwei ist fünf.«
Der ehemalige Häftling kann sich nicht halten: »Zwei mal zwei ist vier!«
Nach der Versammlung kommt der Funktionär zu ihm, umarmt ihn und flüstert: »Du willst doch bestimmt nicht, dass zwei mal zwei wieder sechs wird?«
»Die Partei, die Partei, die hat immer recht«, wie es im Lied heißt, und alle müssen ihren Korrekturen des Rechthabens folgen.
In der Propaganda des Kalten Krieges nimmt sich dieses kommunistische Hexeneinmaleins so aus:
In Moskau findet ein Marathonwettlauf zwischen einem sowjetischen und einem US -Athleten statt. Der Amerikaner gewinnt. Der Sowjetsportler wird Zweiter.
Am nächsten Tag schreibt die offizielle sowjetische
Nachrichtenagentur TASS :
»In einem hochbesetzten internationalen Kampf errang der sowjetische Athlet einen hochverdienten und ehrenvollen zweiten Platz, während die USA nur Vorletzter wurden.«
Diese Logik beherrschte den gesamten Kalten Krieg in ihrem Wettkampf um die führende Rolle. Das alles funktionierte nach der Devise:
Der Kapitalismus ist zum Untergang verurteilt. Wir werden ihn in spätestens zehn Jahren eingeholt, ja überholt haben.
Das ähnelt dem Credo des Augustinus oder des Tertullian: »Credo, quia absurdum est!« Ich glaube, weil es unvernünftig ist. Oder besser: Ich glaube, weil es unglaublich erscheint.
STRUWWELPETER UND CO.
Ich liebe das als schwarz verschriene Kinderbuch des Dr. Heinrich Hoffmann, den Struwwelpeter . Ich glaube, es ist das erfolgreichste Kinderbuch der Welt. Auf dem Deckblatt steht, mit gelbem Zauselkopf, blauer Krawatte, rotem Wams, grünen Gamaschen und sauberen Schuhen, der Struwwelpeter und guckt ganz unglücklich in die Welt. Die Kleidung ist adrett, die Frisur wild und fürchterlich (längst bevor es die Beatles oder gar die Stones gab), die Fingernägel sind grässlich lang. Das Gesicht des Knaben blickt einen vom Deckblatt mit unsäglicher Traurigkeit an. Die wichtigste Geschichte ist für mich die vom Daumenlutscher. Doch der Reihe nach.
Der Autor, Dr. Heinrich Hoffmann, war Nervenarzt in Frankfurt und Direktor der städtischen Nervenheilanstalt von 1851 bis 1888 . Dieses Krankenhaus war die erste Klinik auf der Welt, die eine Abteilung für psychisch kranke Kinder eingerichtet hatte. Dr. Heinrich Hoffmann suchte ein Kinderbuch für seinen Sohn, fand in den Buchhandlungen nicht das Passende, kaufte ein leeres Heft und übergab es seiner Frau mit den Worten: »Hier habe ich, was wir brauchen.« Auf ihren verwunderten Blick hin antwortete er: »Das ist ein leeres Schreibheft, jawohl. Aber da will ich dem Jungen schon selbst ein Bilderbuch herstellen.« Nicht umsonst hatte Hoffmann bei seinem Vater zeichnen gelernt, nicht umsonst schon Verse gemacht, nicht umsonst diese Fertigkeiten am Bett kranker und widerspenstiger Kinder zur Beschwichtigung angewandt. Also zeichnete, malte er den Struwwelpeter und schrieb die dazu passenden Verse. Im Laufe derJahre veränderte der Struwwelpeter seine Gestalt. Die erste Fassung stammt also von Weihnachten 1844 .
Weihnachten 1845 erschien der Struwwelpeter unter dem Titel Lustige Geschichten und drollige Bilder, mit fünfzehn schön kolorierten Tafeln für Kinder von 3 bis 6 Jahren. Lustige Geschichten? Und drollige Bilder? Und das für unvorbereitete Kinder? Die damit beschwichtigt werden sollten? Die »lustigen Geschichten« handeln vom Struwwelpeter, der sich weigert, seine Nägel schneiden zu lassen und sein Haar zu kämmen, und der dafür an den Pranger gestellt wird.
An den Händen beiden
Ließ er sich nicht schneiden
Seine Nägel fast ein Jahr;
Kämmen ließ er nicht sein Haar.
Pfui! ruft da ein jeder:
Garst’ger Struwwelpeter!
Ich glaube, kein
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