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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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Freddy, wie spät is?«
    Antwortet Freddy: »In zehn Minuten zwölf.«
    Darauf Bobby: »Ja, in zehn Minuten! Aber jetzt?«
     
    Der Meister des absoluten Hintersinns im Schwachsinn, Karl Valentin, antwortet auf eine ähnliche Frage.
     
    »Herr Valentin, können Sie mir vielleicht sagen, wieviel Uhr es ist?«
    Valentin: »Hörn’s doch auf mit der ewigen Fragerei. Sie haben mich das doch vorige Woch’ schon amal g’fragt.«
     
    Woody Allen ist ein Meister von Fragen, die das Banalste mit dem Erhabensten verbinden. Zum Beispiel:
     
    »Gibt es eigentlich einen Gott? Und ein gutes Hotelzimmer in Kansas City?«
     
    Beides für einen Witz gleich wichtige Fragen. Ebenso wie die Woody-Allen-Frage:
     
    »Gibt es ein ewiges Leben? Und wer sorgt da eigentlich für saubere Wäsche?«
     
    Solche Fragen haben auch die todernsten Scholastiker gestellt, die für Nachfahren zum Schreien komisch sind. Zum Beispiel die scholastische Frage nach Gottes Allmacht. Kann Gott einen so schweren Stein schaffen, dass er ihn nicht heben kann? Kann er ihn nicht schaffen, ist er aus diesem Grund nicht allmächtig. Kann er ihn schaffen, ist er nicht allmächtig, weil er ihn nicht heben kann. Ein wahrhaft jüdisches Witzprinzip in einer sehr katholischen Frage. Daher noch ein paar Beispiele von Woody Allen. Ich liebe seinen Helden Nadelmann.
     
    Nadelmann plagt sich ständig damit herum, wie er beigesetzt werden wolle. Und einmal sagt er: »Ich ziehe die Feuerbestattung der Erdbestattung entschieden vor – und beides einem Wochenende mit Frau Nadelmann.«
     
    Oder Woody Allens Wunsch:
     
    »Ich will die Unsterblichkeit nicht durch mein Werk erringen. Ich will sie dadurch erringen, dass ich nicht sterbe.«
     
    Nadelmann ist übrigens ein komischer Verwandter von David in seinem Kampf gegen Goliaths Realität. Als großer Opernfreund lebt er ein paar Jahre in Mailand und hat dort ein Abonnement im ersten Rang der Scala. Einmal, bei einer Tosca -Aufführung, ist er beim Schlussapplaus so begeistert, dass er sich über die Brüstung beugt und beim frenetischen Klatschen kopfüber in den Orchestergraben fällt. Das ist sehr schmerzhaft. Von da an macht das Nadelmann aber bei jedem Premierenabend, um nicht als Tollpatsch dazustehen. Besser jeden Abend freiwillig vom ersten Rang in den Orchestergraben zu stürzen. Ein wahrer jüdischer Held.
    Der tragische Kern der jüdischen Komik ist das Schicksal der Juden, gleichzeitig »auserwählt« und überall verfolgt und gejagt zu sein. Es ist die absurde Grundvoraussetzung des jüdischen Selbstbewusstseins. Dazu der Stoßseufzer eines frommen Juden:
     
    »Herr, du hast uns auserwählt unter den Völkern – aber warum ausgerechnet uns?«
     
    Der tiefe Pessimismus gegen das Auserwähltsein spiegelt sich in dem Parkerlebnis eines Juden.
     
    Ein Jude ergeht sich in einem schönen Park. Plötzlich scheißt ihm ein Vogel auf den Kopf. Darauf hebt der Jude den Blick zum Himmel und sagt: »Und für die Gojim (Nichtjuden) singen sie!«
     
    Franz Kafka, so wird überliefert, hat sich beim öffentlichen Vorlesen seiner Prosawerke, die doch todernst, ausweglos, tragisch und von finsterer Absurdität sind, nach Augenzeugenberichten bei den Lesungen ausgeschüttet vor Lachen. So als hätte er die jüdische Krux in sich zu einem biografischen Witz verarbeitet, der tödlich endet. Im Roman Der Proceß steht die Parabel vor dem Gesetz.
     
    Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Aber der Türhüter sagt, daß er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren könne.
    (So wartet der Mann ein Leben lang und fragt schließlich den Türhüter:)
    »Alle streben doch nach dem Gesetz (…), wieso kommt es, daß in den vielen Jahren niemand außer mir Einlaß verlangt hat?« Der Türhüter erkennt, daß der Mann schon an seinem Ende ist, und, um sein vergehendes Gehör noch zu erreichen, brüllt er ihn an: »Hier konnte niemand sonst Einlaß erhalten, denn dieser Eingang war nur für Dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.«
     
    Der jüdische Witz ist ursprünglich ein auf Deutsch erzählter Witz, ein deutscher Dialektwitz, obwohl man ihn längst auch auf Englisch, Amerikanisch hört. Er ist ein deutschsprachiger Witz, weil das Jiddische ein Teil der deutschen Sprache ist, und er ist ein deutschsprachiger Witz, weil Sigmund Freud ihn in seiner Psychoanalyse des Witzes in Deutsch auf seine Couch gelegt hat. Deutsch war die Sprache, in

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