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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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auf einem großen Empfang bei Rothschild einfiel. Heine beobachtet, wie alle Gäste um den reichen Baron herumscharwenzeln. Ein anderer Besucher kommentiert: »Der Tanz ums Goldene Kalb.« Worauf Heine bemerkt: »Ich glaube, der Mann ist älter.«
    Natürlich schleicht sich in die deutsche Sprache die formale Rabulistik der jüdischen Gesetzeserläuterungen und -windungen ein. Auch dazu möchte ich an dieser Stelle eigentlich nur zwei Beispiele geben. Bekanntlich hat Moses die Zehn Gebote in zwei steinernen Tafeln vom Berg Sinai, wo Gott sie ihm überreicht hat, heruntergebracht. Darüber gibt es auch einen modernen Witz.
     
    Moses sagt zu den in höchster Erwartung versammelten Juden: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist: Ich habe ihn auf zehn Gebote runtergehandelt. Die schlechte: Das sechste (Ehebruch) gilt leider immer noch.«
     
    Über diesen Moment gibt es unendlich viele Witze, auch in Filmen bei Monty Python oder bei Mel Brooks.
     
    Einmal verliert Moses beim beschwerlichen Runtersteigen vom Berg ein oder zwei Tafeln und seufzt: »Nun müssen wir uns also mit zehn zufriedengeben.«
     
    Und was die mythologische Herkunft von Moses anlangt:
     
    Der kleine Itzig wird in der Schule gefragt:
    »Wer war Moses?«
    Und er antwortet: »Moses war der Sohn einer ägyptischen Prinzessin.«
    »Das ist nicht richtig«, sagt der Lehrer, »Moses war der Sohn einer jüdischen Mutter. Die ägyptische Prinzessin hat ihn als Baby in einem Weidenkorb gefunden.«
    Antwortet Itzig: »Behauptet er .«
     
    Nicht vorstellbar, wenn man zu Beginn des 21 . Jahrhunderts eine ähnliche Geschichte über Mohammed erzählen würde. Man müsste um sein Leben fürchten.
    Der jüdische Witz hat sich längst auch zu einer nostalgischen Erinnerung verwandelt an die Zeit, als es in Osteuropa, also in Galizien wie in Weißrussland und in der Ukraine, große jüdische Gemeinden gab, die aus kleinen Handwerkern, Krämern, Hausierern und Tagelöhnern bestanden und die immer schon gewaltige Auswanderungsanstrengungen unternahmen in die europäischen Metropolen und nach Übersee. Diese Gemeinden waren immer wieder durch Pogrome bedroht, und immer wieder gab es neben Fortschritten in Richtung Gleichberechtigung Rückschläge durch Ausbrüche von judenfeindlichen Ausschreitungen – auch dies, möchte man bitter sagen, eine Grundvoraussetzung für eine sarkastische und zynische Welthaltung, die im Witz zwischen Gottergebenheit und Gottverlassenheit schwankte. Hiob ist die große tragische Figur dieser Auseinandersetzung. Der jüdische Witz, könnte man etwas hochtrabend sagen, ist das komische Echo darauf. Der russische Roman und der jüdische Witz, könnte man zusammenfassend sagen, würden ohne die Eisenbahn, die gewaltige Strecken überbrückte, Menschen in die weite Welt des Westens führte oder zu den großen Märkten, nicht existieren. Dass in der Eisenbahn auch Witze erzählt wurden, um die Zeit zu vertreiben, ist klar. So zum Beispiel die Geschichte von den drei jüdischen Handelsreisenden. Also:
     
    Drei jüdische Handelsreisende fahren oft zusammen die gleiche Strecke. Sie haben sich schon alle Witze erzählt, die sie kennen. Es braucht nur einer den Mund aufzumachen, da winken die anderen ab: »Kennen wir schon, kennen wir schon.«
    Schließlich verfallen sie auf die Idee, alle Witzeaufzuschreiben und zu nummerieren. Nun brauchen sie sich nur ab und zu eine Nummer zuzurufen, um sich mit brüllendem Gelächter köstlich zu amüsieren.
    Einmal steigt unterwegs ein neuer Reisender zu. Verwundert hört er sich dieses für ihn unverständliche Zahlenspiel an. Für ihn klingt es, um im Genre der Eisenbahn zu sprechen, nur nach Bahnhof, und er lässt sich das Spiel erklären.
    »Also«, sagt einer, »wir haben unsere Witze nummeriert. Hier ist die Liste.«
    Die drei anderen rufen sich Nummern zu: » 64 !« Brüllendes Gelächter. » 15 !« Wieder wird lauthals gelacht. » 7 !« Die Zuhörer können sich kaum halten vor Lachen. Also fasst er sich Mut, guckt in die Liste und sagt: » 32 .« Niemand lacht. »Was ist denn los?«, fragt er. »Ist der Witz nicht gut?« Einer der Juden sieht ihn an und sagt: »Der ist schon gut. Man muss ihn nur erzählen können!« Gekränkt schweigt der Fremde. Nach einer Weile ruft einer der drei Witzeerzähler: » 89 !« Brüllendes Gelächter. Da mischt sich der Reisende ein und sagt: »Versteh ich nicht. Der steht doch gar nicht auf der Liste.« Darauf die anderen drei: »Ebendrum ist

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