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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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seiner Meinung nach sämtliche Pointen hingemeuchelt und damit die Witze umgebracht habe.
     
    Wie gesagt, viele Witze handeln von der galizischen Nostalgie, der die grandiosen Romane von Joseph Roth, vor allem sein Radetzkymarsch , ein literarisches Denkmal setzen. Diese galizische Welt bei Roth besteht aus österreichischen Garnisonen in den galizischen Städten wie Przemyśl und Lemberg. Hier einer der Garnisonswitze:
     
    »Habt ihr schon gehört?«, sagt ein Offizier zum anderen. »Hauptmann Feschak ist aus dem Offizierscasino ostraziert (ausgeschlossen) worden.«
    »Was? Ostraziert? Warum denn, um Himmels willen?«
    »Er hat den Namen der Tochter des Rabbiners in den Schnee gepinkelt:
    ›Rebecca, ich liebe dich! ‹ «
    »Das ist ja schrecklich«, sagt der andere, »aber ist das nicht zu streng, ihn deshalb gleich aus dem Casino zu verbannen?«
    »Nein«, sagt der andere, »er hat den Satz mit ihrer Handschrift in den Schnee geschrieben.«
     
    Sie war also »federführend«.
     
    Das paradoxe Wesen des jüdischen Witzes erklärt sich am besten durch einen jüdischen Witz.
     
    Da fragt ein Jude den anderen: »Warum beantwortet jeder jüdische Witz eine Frage mit einer Gegenfrage?«
    Worauf der andere antwortet: »Warum nicht?«
     
    Darin ist auch das ständige Hin und Her des jüdischen Disputs, in dem es immer auch um die Gesetze geht, um die Zwiesprache mit Gott, um die Erklärungen der Tora. Disput ist das Wesen der jüdischen Geistigkeit, das Hin und Her. Auch da gibt es eine Geschichte, die wir unbekümmert dem jüdischen Witz zurechnen können, obwohl sie eigentlich nichts mit ihm zu tun hat.
     
    Vor Gericht. Der Staatsanwalt plädiert, der Richter sagt am Ende: »Da haben Sie recht.«
    Dann plädiert der Verteidiger. Wieder resümiert der Richter: »Da haben Sie recht.«
    Da sagt ihm ein Schöffe: »Herr Richter, die können doch nicht beide recht haben.«
    Worauf der Richter sagt: »Da haben Sie auch wieder recht.«
     
    Wer die Urteile in manchen Prozessen unserer Zeit vor Augen hat, kann den Witz bestens verstehen. Das Abwägen, Klären, ein dialektisches Hin und Her, macht das Wesen des jüdischen Disputs aus. Der Witz beschreibt den Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Wahrheit, zwischen Idee und Praxis, zwischen Schein und Sein. Das tun viele, ja sogar die meisten Witze, also kann man den jüdischen Witz als »Mutter der Witze« bezeichnen. Als Einstein den Nobelpreis für die Relativitätstheorie bekam, war das ein gefundenes Fressen für den jüdischen Witz. Ist denn nicht ohnehin alles relativ? Also zum Beispiel:
     
    Treffen sich zwei Juden und unterhalten sich darüber, dass Einstein den Nobelpreis für die Relativitätstheorie erhalten hat.
    Sagt der eine: »Was ist denn das, die Relativitätstheorie?«
    Sagt der andere: »Wenn du ein hübsches Mädchen küsst, ist eine Minute relativ kurz, wenn du mit dem nackten Hintern auf einer glühenden Herdplatte sitzt, ist eine Minute relativ lang.«
    Darauf die ernüchternde Quintessenz: »Und für so einen Tinnef bekommt man den Nobelpreis?«
     
    Die Pointe lässt sich beliebig variieren. Relativ wenig sind drei Haare auf dem Kopf, relativ viel drei Haare in der Suppe. Und die absurdeste Relativität ist die folgende:
     
    »Wenn du mir deine Nase in den Hintern steckst, haben wir beide eine Nase im Po. Aber ich bin relativ besser dran.«
     
    Ein Meister der Relativität der Zeit (Witze machen meist einen Kurzschluss zwischen objektiver und gefühlter Zeit)war der Theaterkritiker Alfred Polgar. In einer Theaterkritik schrieb er:
     
    Die Vorstellung begann um acht Uhr. Als ich nach zwei Stunden auf die Uhr blickte, war es halb neun.
     
    Besser lässt sich das Streckbrett »Langeweile« nicht formulieren als durch diese Aussparung. Polgar konnte das auch durch einen Blick auf das Bühnenbild ausdrücken:
     
    Rechts gähnte der Abgrund. Recht hatte er.
     
    Und in einer Glosse über eine öffentliche Uhr in einer belebten Wiener Straße, die seit Jahren stehen geblieben war, philosophierte er witzig über das Verhältnis von der Zeit zum Zeitgenossen, die dieser nur beim Schopfe packen müsse – im rechten Augenblick.
     
    Mindestens zweimal am Tag geht die Uhr auch richtig. Man muss nur den richtigen Augenblick erwischen.
     
    Das Paradoxon der Zeit, dass sie, wenn man sie feststellt, schon nicht mehr stimmt, fixiert der dumm-weise Graf-Bobby-Witz:
     
    Graf Bobby trifft seinen Freund Freddy. Und da er keine Uhr dabei hat, fragt er: »Du,

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