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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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redet auf ihn ein, er könne doch den Glauben der Väter nicht verraten, an dem sie zweitausend Jahre in allen Schrecken und Verhängnissen festgehalten hättenund in denen sich Gott und ihr Verhältnis zu Gott bewährt hätte. Darauf der Sohn: »Du wirst mich nicht davon abbringen. Ab morgen bin ich mündig, und ich bin fest entschlossen, zum Christentum überzutreten.« Spricht’s und lässt den Vater allein. Der hadert mit Gott, und Gott erscheint ihm auch als Stimme und fragt: »Was ist, Abraham?« Darauf erzählt ihm der Vater die Geschichte, dass sein Sohn unbedingt Christ werden wolle. Gott beschwichtigt ihn und sagt: »Sei ruhig, Abraham, das ist mir auch passiert.« »Was?«, sagt der Vater. »Das ist dir auch passiert? Und was hast du denn dann gemacht?« Darauf Gott: »Was werd ich gemacht haben? Ein neues Testament!«
     
    Manche dieser Witze beschäftigen sich nur mit der Verschiedenheit der Bräuche, so zum Beispiel die Geschichte von dem Juden, der in ein katholisches Hochamt gerät:
     
    Im Wiener Stephansdom wird eine große Messe zelebriert. Die Orgel tönt, Gesang der Gemeinde brandet auf, der Priester schreitet im vollen Ornat durch die kniende Menge, begleitet von den Ministranten, die ihre Weihrauchfässer schwenken. Sagt der Jude zu einem vorbeigehenden Ministranten: »Fräulein, Ihr Handtascherl brennt!«
     
    Die Taufe, als Zwangstaufe etwa während der Spanischen Inquisition, der sich viele Juden durch die Emigration zu entziehen suchten, spielt in der jüdischen Geschichte eine ebenso große Rolle wie die Geschichten von Juden, die sich taufen ließen; Gustav Mahler zum Beispiel, weil er anders im christlichen Wien nicht hätte Operndirektor werden können, und Heinrich Heine, der sich mit seinem Übertritt zum Christentum selbstanklägerisch und ironisch auseinandersetzte. Er hat die Taufe als Entrée-Billett zur europäischen Kultur bezeichnet. Es war die Fahrkarte zur völligen Assimilation – doch deren Zug wurde durch den im liberalen Staat aufkeimenden Antisemitismus sogleich wieder gebremst. Ebenfalls von einer Konversion zum Katholizismus handelt der folgende Witz, der in New York um 1900 unter armen jüdischen Einwanderern spielt.
     
    Es ist kalt am Broadway. Zwei arme Juden frieren und bibbern. Auf einmal kommen sie an einer katholischen Kirche vorbei, an der angeschlagen steht: »Wer sich taufen lässt, bekommt zehn Dollar.« In ihrer Not und Verzweiflung beschließen sie, dass einer sich für beide opfern solle. Nach seiner Taufe würden sie dann die zehn Dollar teilen, fifty-fifty. Sie losen mit Streichhölzern, der Verlierer geht in die Kirche. Eine lange Zeit vergeht, während der andere schlotternd draußen wartet. Endlich kommt der Kirchgänger und Täufling wieder heraus.
    »Wie war’s?«, fragt der andere.
    »Du, es war herrlich. Orgelklang und Weihrauchduft. Und der Priester hat mit singender Stimme lateinisch gebetet, die Gemeinde ist in den Chor eingefallen, man ist niedergekniet, aufgestanden, wieder niedergekniet. Ich bin aus einem Taufbecken mit geweihtem Wasser besprüht worden und feierlich mit vielen anderen getauft worden. Einfach großartig ist es gewesen.«
    Der andere hört ihm zu und wird schon etwas ungeduldig und sagt: »Und was ist mit den zehn Dollar, die wir teilen wollen?«
    Darauf der frisch getaufte Christ: »So seid ihr, ihr Juden. Ihr denkt immer nur ans Geld.«
     
    Bräuchte es einen Beweis für die doppelte Aggression, die nach zwei Seiten geht, dieser Witz würde ihn liefern.
    Die klassischen jüdischen Witze bilden eine Art Heimatmuseum der alten Zeit im jüdischen Schtetl und sind inzwischen wie Märchen aus einer verflossenen Zeit. Sie werden voller Nostalgie erzählt, wobei die Sitten und Gebräuche im Schtetl eine große Rolle spielen, wenn sie in ironischer Beleuchtung wieder in Geschichten und Pointen auftauchen. Der jüdische Witz hat das Witzeerzählen selbst zum Gegenstand. Nach 1945 , als die jüdische Kultur Galiziens von den Nazis völlig vernichtet worden war, Gettos wie Synagogen zerstört, die jüdische Bevölkerung ausgerottet worden war, sammelte Salcia Landmann die jüdischen Witze, um ein Kulturerbe wenigstens in seinen Geschichten und Zeugnissen zu bewahren. Friedrich Torberg, der große österreichische Journalist, Publizist, Schriftsteller, Theaterkritiker, Romancier und Witzeerzähler, ist über diese Witzesammlung gnadenlos hergefallen. Besonders gekränkt hat ihn, dass ausgerechnet eine jüdische Witzeerzählerin

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