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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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er so komisch. Den kannten wir noch nicht.«
     
    Gute alte Zeit, möchte man sagen. Die hatten noch Sorgen! Aber sie hatten eben so viele Sorgen, dass sie viele weglachen mussten.
    Russische Romane, zum Beispiel die Kreutzersonate von Tolstoi, beginnen gern mit einer Bekanntschaft im Zug am Anfang einer tagelangen Bahnfahrt durch die Weiten des Ostens. Man stellt sich einander vor, dann beginnt die lange Reise, und der eine sagt: »Ich heiße Gregor Gregorowitsch und bin ein elenderMensch. Ich möchte Ihnen erzählen, wie ich meine Frau verloren habe.« 700 Seiten später weiß man Bescheid. Max Frisch, der aus der engen Schweiz kommt, hat sich darüber lustig gemacht, indem er in seinem Tagebuch schreibt, dass jemand in Genf in einen Zug einsteigt und seinem Gegenüber zu erzählen beginnt: »Ich heiße Gregor Gregorowitsch. Ich bin ein elender Mensch. Ich möchte Ihnen erzählen, wie ich meine Frau verloren habe.« Aber ehe der Mann nur erzählen konnte, wie er seine Frau kennengelernt hat, ist der Zug schon an der Grenze. Keine Zeit mehr für einen großen Roman.
    Die Bahnreise beginnt schon mit der Komplikation, dass man den Zug verpassen kann.
     
    Ein Reisender sieht einen anderen auf den Bahnsteig stürzen, atemlos schaut der den Schlusslichtern des abfahrenden Zuges hinterher. Fragt ein anderer Mann auf dem Bahnsteig:
    »Haben Sie den Zug verpasst?«
    Antwortet der: »Verscheucht werd ich ihn haben!«
     
    Hier ist völlig klar: Wer so antwortet, kann nur einem jüdischen Witz entsprungen sein.
    Jeder Zugreisende kennt das seltsam schwerelose Gefühl, wenn sich ein Zug auf dem Nebengleis in Bewegung setzt und man einen Augenblick denkt, selber schon zu fahren. Dies ist ein wunderbarer leichter Schwebezustand, dem der folgende Witz entsprungen zu sein scheint:
     
    Ein Zug setzt sich langsam in Bewegung. Sagt ein Passagier zu dem ihm gegenübersitzenden Juden:
    »Scheint’s fahren wir schon.«
    »Die Häuser werden sie für uns vorbeitragen«, sagt der andere.
     
    Dieser Witz funktioniert auch ohne Bahn im galizischen Winter.
     
    Eisig geht im Januar am Seeufer spazieren. Da sieht er plötzlich seinen Freund Löwenthal in einem Eisloch zappeln.
    »Löwenthal, bist du eingebrochen?«
    Antwortet Löwenthal: »Nu, der Winter wird mich beim Baden überrascht haben.«
     
    Es sind dies sozusagen Nebbich-Witze, wo der Befragte dem anderen klarmacht, wie blöd und überflüssig seine Frage ist.
    Einer der schönsten Eisenbahnwitze ist der über die Konsequenz, eine Sache zu Ende zu denken, sich all ihre Folgen auszumalen, was die jüdische Haltung des »Klärens«, also des Überlegens, anlangt. Eine Sache zu Ende zu denken führt immer in der skeptischen Weltsicht der Juden zu einer Katastrophe. Hier die Geschichte:
     
    Zwei Juden, ein junger Mann und ein älterer Herr, sitzen sich in einem Eisenbahnabteil gegenüber.
    Fragt der jüngere den älteren: »Verzeihung, können Sie mir sagen, wie spät es ist?«
    Keine Antwort. Der junge Mann drückt sich gekränkt in seine Abteilecke. Doch kurz vor Lublin hält er es nicht mehr aus und sagt im Brustton der Entrüstung:
    »Mein Herr, vor einer halben Stunde habe ich Sie höflich nach der Uhrzeit gefragt, und ich möchte wirklich gern wissen, warum Sie sich nicht zu einer Antwort herabgelassen haben.«
    »Das will ich Ihnen gern erklären, junger Mann. Sie haben mich nach der Uhrzeit gefragt, nicht wahr?Natürlich hätte ich meine goldene Uhr aus der Tasche ziehen und Ihnen sagen können, wie spät es ist. Was wäre gewesen? Wir wären ins Gespräch gekommen.
    ›Was für eine schöne Uhr Sie haben! ‹
    ›Ja, sie geht auf die Minute‹, hätte ich geantwortet.
    ›Wohl ein Erbstück?‹, hätten Sie gefragt.
    ›Nein‹, hätte ich geantwortet.
    ›Gewiss gehen die Geschäfte gut‹, hätten Sie gesagt.
    ›Ja, ich kann nicht klagen‹, hätte ich geantwortet.
    ›Womit handeln Sie?‹
    ›Mit Getreide.‹
    ›Wohnen Sie in Lublin?‹
    ›Allerdings.‹
    ›Sie haben dort sicher eine schöne Villa?‹
    ›Oh ja!‹
    ›Haben Sie Familie?‹
    ›Ja, ich habe zwei hübsche Töchter.‹
    Nu, und was wäre am Ende herausgekommen? Sie hätten mich in meiner Villa besucht, ein paar Tage später hätten Sie um die Hand meiner ältesten Tochter angehalten. Und nun sagen Sie selbst, junger Mann: Wie kann ich meine Tochter Esther mit einem Mann verheiraten, der nicht einmal eine Uhr hat?«
     
    Man muss bei allem mit sich handeln lassen.
     
    Kommt der Kontrolleur zu einem

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