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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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Pinkas Berger hatte doch einen Neffen, bei dem er Vormund war. Das Geld möchte ich haben, das der alte Halunke dabei für sich herausgeschlagen hat! … Der Junge hat später die Matura gemacht und Jura studiert, dann soll er in Wien eine Anwaltskanzlei aufgemacht haben … Natürlich hat er seinen Namen geändert. Wie hat er doch gleich geheißen? Richtig: Levi hieß er. Und wie könnte er jetzt heißen: Loewy? Nein, das klingt noch zu jüdisch … Löwe vielleicht? Immer noch zu ähnlich … Halt, ich hab’s!
    Amschel eilt ins Erster-Klasse-Abteil und begrüßt den fremden Herrn: »Guten Tag, Herr Doktor Liebermann!«
    Der Herr mit dem goldgeränderten Kneifer misst ihn von Kopf bis Fuß und sagt verwundert: »Ich erinnere mich nicht, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Woher wissen Sie, wie ich heiße?«
    »Das hab ich mir ausgerechnet!«
     
    Das ist eine perfekte Geschichte einer jüdischen Entwicklung und Emanzipation aus der Armut und Enge des Schtetls in den Reichtum der großen weiten Welt der Bankiers und Anwälte. Es gibt darüber einen Witz aus New York, der die Entwicklung vom Kopf wieder auf die Füße zurückstellt:
     
    Ginsberg trifft Goldberg, den er lange nicht gesehen hat, und fragt nach dessen Familie.
    »Wie geht es deinem Sohn? Er hat doch Jura studiert, oder?«
    »Ein toller Kerl! Jedem Anwalt sollte es so gehen wieihm. Glänzende Karriere. Er kann sich vor Fällen kaum retten.«
    »Und Sarah, deine Tochter? Hat sie nicht Musik studiert?«
    »Sie kommt eben von einer Tournee durch Europa zurück. Solistin ist sie auf der Violine. Was willst du? Lauter ausverkaufte Konzertsäle.«
    »Was ist eigentlich mit Jeremy? Den hast du, wenn ich mich richtig erinnere, nie erwähnt.«
    »Ach der«, antwortet Goldberg. »Der verkauft immer noch Kleider unten an der Lower Eastside.«
    Pause.
    »Ich sag dir, ohne ihn würden wir alle verhungern.«
     
    Verlassen wir die Eisenbahn. Kommen wir zu anderen Gattungen des jüdischen Witzes. Da geht es, wie könnte es anders sein, um die Kunst des Rechnens. Und, wie wir Joffe schon zitiert haben, richtet sich der jüdische Witz mit seiner Aggression nach zwei Seiten: auf die nichtjüdische Welt und auf den jüdischen Erzähler. Die Juden (vielleicht schon allein deshalb, weil Christus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel verjagt hatte) waren dazu ausersehen und verurteilt, die Geldgeschäfte zu ihrem Beruf zu machen. Wenige wurden dabei reich. Der sagenhafte Rothschild ist als Held des Witzes dafür ein schönes Beispiel. Alle, auch die, die arm blieben, wurden dafür verfolgt bis aufs Blut. Die grausigste, wahrhaftigste und schönste Tragödie dieses Schicksals hat, wer sonst?, Shakespeare geschrieben, den Kaufmann von Venedig mit dem wohl berühmtesten jüdischen Monolog:
     
    Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?
    Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht?
    Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht?
    Wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?
     
    Ernst Lubitsch hat um dieses Zitat eine gruselig-witzige Komödie über die Naziherrschaft in Polen geschrieben, die Sein oder nicht sein heißt. Sie ist, neben Chaplins Großem Diktator , der gewaltigste Filmwitz gegen die Judenpogrome in Hitlers Drittem Reich.
    Hier Beispiele über die Rechenkunst und kaufmännische Geschicklichkeit im jüdischen Witz.
     
    Schlomo und Chaim wandern durch einen tiefen Wald. Da werden sie von Räubern überfallen. »Geld oder Leben!«
    Daraufhin wendet sich Schlomo Chaim zu und sagt: »Mir fällt gerade ein, Chaim, dass ich dir noch 50  Rubel schulde. Hier hast du dein Geld, nun sind wir quitt.«
     
    Ich glaube, in einem Groucho-Marx-Film habe ich die Stelle aufgeschnappt: »Geld oder Leben«, sagt da ein Räuber zu einem Mann, den er überfällt. Und der antwortet: »Das muss ich mir noch gut überlegen.«
    Mein Lieblingswitz ist der, den mir Billy Wilder erzählt hat.
     
    »Vater, was bedeutet eigentlich Ethik?«
    »Ethik?«, sagt der Vater. »Ethik. Ich will dir ein Beispiel geben. Zu mir ins Geschäft kommt ein Kunde, kauft einen Mantel für 60 Mark und zahlt mit einem Hunderter. Wie ich hinschaue, ist er aus dem Laden und hat das Wechselgeld vergessen. Siehst du mein Sohn, und jetzt kommt Ethik. Soll ich das meinem Kompagnon sagen oder nicht?«
     
    Immer wieder enthalten jüdische Witze die umwerfende Logik des Zu-Ende-Rechnens.
     
    Simon bestellt sich in einer Wiener Konditorei einen Apfelkuchen, ruft den Ober und sagt: »Ich hab mir’s überlegt,

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