Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Haderns mit einem ihm zürnenden Literaturgott:
»Man wird doch noch was gegen Walser sagen dürfen!«
Die Zuschauer lachen, applaudieren. Es ist eine großartige gestische Nummer, gespielt wie in echter Empörung und Auflehnung. Es ist ein parodierter jüdischer Witz zwischen Hiob und Gott.
Dieser Witz kann sich überall wiederholen, und der folgende Witz handelt auch davon:
Ein Fremder geht in New York durch die Fifth Avenue und fragt einen mit Paketen beladenen bärtigen Juden, wo das Geschäft von Bagelninski ist. Der bärtige Jude nickt und überreicht dem Fragenden die Pakete zum Halten. Dann breitet er die Arme zum Himmel aus und ruft mit erhobener Stimme: »Woher soll ich wissen, wo das Geschäft vom Bagelninski ist?!«
Selbst dieser Witz inszeniert sich so, wie man ihn erzählen muss.
In dieser Haltung des Stoßseufzers mit vorwurfsvollem Blick zum Himmel lassen sich auch zwei Aphorismen Nestroys vorstellen und darstellen:
»Die Phönizier haben das Geld erfunden. –
Aber warum so wenig?!«
Und der männliche Neidseufzer:
»Die Frauen haben es gut! Sie rauchen nicht! Sie trinken nicht. Und Frauen sind sie selber.«
Witze sind immer auch gestische Vorstellungen. Man muss dabei sehr aufpassen, dass man nicht in eine Witzgesellschaft gerät, die Gesten mit Karikaturen und Erzählen jüdischer Witze mit Mauscheln verwechselt. Die Grenze zur Peinlichkeit ist schnell erreicht und schnell überschritten. Ich möchte dazu eineGeschichte erzählen, die nichts mit Witzen zu tun hat, sondern mit einem großen Regisseur und einem großen Schauspieler, die auf der Bühne gemeinsam Richard III . probierten. Der Schauspieler war Helmut Qualtinger. Er sollte Richard III. spielen. Es war die erste Probe (Qualtinger hat mir die Geschichte selbst erzählt und vorgespielt), Richard III . war bekanntlich verwachsen und hinkte. Der österreichische Regisseur und Hamburger Intendant Oscar Fritz Schuh war stark gehbehindert. Er hinkte so stark, dass es wie eine Übertreibung wirkte. Er probt also mit Qualtinger Richard. Die Eingangsszene, den Monolog vom Winter unseres Missvergnügens. Qualtinger spricht den Text, Oscar Fritz Schuh unterbricht ihn. Er spricht ihm den Text vor und bewegt sich dabei. Er hinkt, weil er immer hinkt. Qualtinger überlegt verzweifelt: Soll ich jetzt hinken, weil Richard III . hinkt, oder wird das Oscar Fritz Schuh falsch verstehen und denken, dass ich ihn nachmache. Also spricht er den Text und geht dabei ganz normal auf und ab, wie es Oscar Fritz Schuh hinkend vorgemacht hat. »Nein!«, schreit Oscar Fritz Schuh. »So müssen Sie gehen!«, und hinkt noch einmal. Qualtinger fängt vorsichtig zu hinken an, aber nur schwach, bis ihn Oscar Fritz Schuh zum dritten Mal anschreit. Die Geschichte mag wahr sein oder erfunden, jedenfalls zeigt sie die Schwierigkeiten mit Gesten und Sprachimitationen beim Witzerzählen.
Die jüdischen Namen stellen eine Schwierigkeit dar. Ursprünglich hatten die Juden eigentlich nur Vornamen und die Namen ihrer Väter oder Ahnen. Jakob ben Josef zum Beispiel. Mit der Gleichberechtigung im Gesetz wurden ihnen von der österreichischen und der preußischen Verwaltung Namen zur Verfügung gestellt. Sie wählten sich oft schöne, poetische Namen wie Rosenblatt, Rosenzweig, Goldmann, Silbermann. Sie bekamen auch Namen zugewiesen, die auf ihre Herkunft hindeuteten: Krakauer, Breslauer, Dessauer, Wiener zum Beispiel. Auch die Gassen ihrer Herkunft spielten bei den Namen eine große Rolle.Das berühmteste Beispiel ist wohl der Name Rothschild. So hieß die Gasse, aus der die Familie ursprünglich stammte. Die Bürokratie in Preußen und in Österreich hatte natürlich Macht über die Namen, und so diktierte sie den Juden oft Namen und verbesserte sie dann auch gegen entsprechendes Entgelt.
Dafür gibt es ein jüdisches Witzbeispiel, wo ein Jude nach der Benennung durch die Behörde seinem Freund erzählt, er heiße Schweißfuß.
»Um Gottes willen! Schweißfuß!«, sagt der Freund. Darauf sieht ihn der andere traurig an:
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie teuer das ›W‹ schon war.«
Torberg wirft in seiner Auseinandersetzung mit Salcia Landmanns Buch über den jüdischen Witz der Autorin vor, dass sie alle Namen, die in Klischees des antisemitischen Witzes vorkommen (»Kanaldeckel« etwa), aufnimmt, so als wollte sie die Figuren des jüdischen Witzes in Stürmer -Karikaturen verwandeln (Der Stürmer war das übelste
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