Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Platt:
»Gah man hen, se hett se all.« Geh nach Hause, sie hat schon alles. Wie sie sich’s wünschte, können wir ergänzen.
Von nun an werden die Wünsche der Frau immer gieriger, unverfrorener, sie verwandelt sich in ein Weib voll wachsender Gier, frei nach dem Balladen-Motto: Je mehr sie hat, so mehr sie will, / nie schweigen ihre Wünsche still.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass das Lieblingsbuch von Präsident George W. Bush nach eigenem Bekunden Die kleine Raupe Nimmersatt ist, ein Kinderbuch mit Löchern. Und dass im Welttheater Lady Macbeth bei Shakespeare und Verdi auch nicht bescheidener ist und ihren Mann mit ihrem Ehrgeiz erst auf den Thron und dann ins Verderben treibt. Es sind diese keine frauenfreundlichen Themen.
Auch Ilsebill wünscht sich immer schneller, immer mehr, sie rotiert förmlich vor Besitzgier und Wünschewahn. Der Butt muss ihr also nacheinander ein steinernes Schloss schaffen, dann sie zum König mit einem Königspalast und Hofstaat machen, dann gar zum Kaiser und dann zum Papst. Alles schafft er sozusagen aus dem Effeff, ohne in eine große Schuldenfalle zu tappen. Der Mann trottet immer brav zum Fisch. Wünscht und wünscht. Und der Fischerscheint ihm in einer immer bedrohlicheren größeren Gestalt in einem immer finsterer dräuenden Meer, erfüllt aber klaglos Wunsch für Wunsch.
Doch die Frau wird vom vielen Wünschen und der prompten Erfüllung ihrer Wünsche größenwahnsinnig. In ihrer Hybris wünscht sie sich, der liebe Gott zu sein. Der tumbe Tor von Mann erhebt zwar Einwände, trägt aber auch diesen Wunsch dem inzwischen zu zorniger Größe angeschwollenen Fisch vor.
»Sie will werden wie der liebe Gott«, sagt der Fischer.
»Geh mal heim, sie sitzt wieder in ihrem Pißputt.«
Das Märchen schließt mit der Märchenpointe:
»Dort sitzen sie noch bis auf den heutigen Tag.« Oder noch einmal im O-Ton: »Door sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag.«
Es ist ein Witz auf Kosten einer allzu habgierigen Frau, aber es ist auch eine Geschichte von der menschlichen Hybris, ein Echo auf Adam und Eva und die Vertreibung aus dem Paradies. Eine Parallelgeschichte zum Turmbau zu Babel. Also ein zeitloses Gleichnis, dass man sich nicht zu viel wünschen soll. Sonst kommt die Vertreibung aus dem Paradies, die Sintflut, der Schwarze Freitag an der Börse, die Pleite der Lehman-Brothers-Bank oder Griechenlands – na, und so weiter und so fort.
Märchenwitze raten auch ein wenig zur Bescheidenheit. Aber wir hören nicht auf sie. Ob die Männer immer die Einflüsterungen der Frauen brauchen oder selbst und von alleine mehr wollen, um sich dann die tollen Frauen als Trophäen leisten zu können, das ist eine Frage der Perspektive.
Wo übrigens hätte Frau Ilsebill vernünftigerweise mit dem Wünschen aufhören sollen? Das ist eine vernünftige Frage.
Der zweite Witz ist von dem schwäbischen Pfarrer und Kalendergeschichtenschreiber Johann Peter Hebel, der für seinen Bauernkalender lustige, witzige und gleichzeitig weise Geschichten schrieb, die im beginnenden 19 . Jahrhundert erschienen und bis heute ihren Witz, Geist und Charme, vor allem aber ihren unaufdringlichen pädagogischen Sinn behalten haben, der in dem Witz von den drei Wünschen nicht etwa heißt: »Bleib bescheiden!«, sondern: Bleib vernünftig! Und überlege gut, was du dir wünschst! Und dann wirst du trotzdem alles falsch machen, da hilft dir nichts. Deshalb ist es gut und schön, dass es keine Feen und keinen Butt und keinen Frosch gibt, der Wünsche erfüllt. Was wir schon wissen, bringt uns der wunderbare Erzähler J. P. Hebel trotzdem nicht vergeblich bei, sondern mit dem Vergnügen, an eine traurige Wahrheit witzig erinnert zu werden.
Aber die Quintessenz steht bei Hebel schon besser und schlüssiger da.
Drei Wünsche
Ein junges Ehepaar lebte recht vergnügt und glücklich beisammen und hatte den einzigen Fehler, der in jeder menschlichen Brust daheim ist: Wenn man’s gut hat, hätt man’s gerne besser. Aus diesem Fehler entstehen so viele törichte Wünsche, woran es unserm Hans und seiner Lise auch nicht fehlte. Bald wünschten sie des Schulzen Acker, bald des Löwenwirts Geld, bald des Meiers Haus und Hof und Vieh, bald einmal hunderttausend Millionen bayerische Taler kurz weg.
Eines Abends aber, als sie friedlich am Ofen saßen und Nüsse aufklopften und schon ein tiefes Loch in den Stein hineingeklopft hatten, kam durch die Kammertür ein weißes Weiblein
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