Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
nichts, wer den Verstand nicht hat, sie zu benutzen.
Das Märchen »Vom Fischer und seiner Frau« ist eine Parabel auf die wachsende Begehrlichkeit, die mit der Erfüllung der Wünsche einhergeht. Es ist aber auch ein Witz, der seine Wünsche so ins Maßlose übertreibt, dass sie alles Menschenmögliche übersteigen und nicht mehr logisch erfüllbar sind.
Der Butt, den der Fischer von der Angel lässt, mag als verwunschener Prinz ein gewaltiger Zauberer sein, der auf der Welt alles vermag, aber jemanden zu Gott machen, wie sollte er, da er doch auch nur ein Geschöpf Gottes ist, das vermögen. Es ist also ein Witz vom Aberwitz. (Dass es sich um einen Fisch handelt, mag in Konkordanz mit der christlichen Mythologie stehen, die Jesus im Zeichen der Fische sieht, und ihn und Petrus als großen Menschenangler.)
Es gibt viele Witze nach diesem Vorbild, in denen der Zauberer (Frosch, Prinz, Geist), der die Wünsche erfüllt, von der Maßlosigkeit des Wunsches überfordert ist. Manchmal ist aber auch nicht die Maßlosigkeit schuld, sondern die Schwäche des Zauberers. Solche Witze sind von der melancholischen Einsicht getragen, dass auch die Wünscheerfüller nicht mehr das sind, was sie mal waren. Sie sind in die Jahre gekommen.
Die folgende Geschichte ist auch von ihrem Sujet her in die Jahre gekommen, sodass man sie eigentlich (aber nur eigentlich) nicht mehr erzählen kann, jedenfalls in einem Kreise nicht, wo die meisten Zuhörer zu jung sind, um noch Johannes Mario Simmel zu kennen. Kann man ihn also nicht vor Freunden und Bekannten erzählen, die nicht mehr wissen, dass der Österreicher Johannes Mario Simmel ein Bestsellerautor der Sechzigerjahre war, der Illustrierte-Romane schrieb, die anschließend Bestseller wurden. Von Es muß nicht immer Kaviar sein ( 1960 ) bis zu Auch wenn ich lache, muß ich weinen ( 1993 ). Wer noch mehr wissen will, dem kann man sagen, dass er unter den Nachkriegsautoren, die Bestseller schrieben, nicht mit konservativ rückständigen Themen reüssierte, sondern als progressiver Autor galt, aber … das muss man zum Erzählen des Witzes nicht strapazieren.
Man braucht ihn für den Witz des Namens wegen, also spielt es keine Rolle, ihn über seinen Namen hinaus in den Witz einzuführen. Simmel gab es, Punktum, und der Beginn des Witzes ist sehr putzig und wäre es auch, wenn Simmel nicht Simmel heißen müsste. Wer das Bild des Autors vor Augen hat, findet esvielleicht noch putziger, dass er im Witz auftaucht. Simmel war ein bebrillter, schüchterner, zurückgezogen lebender Mann, eher unauffällig, die Öffentlichkeit kannte ihn kaum. Also legen wir los.
Auf einem Betriebsfest, wie sie kurz vor Weihnachten üblich waren (oder noch sind), wo man viel trinkt und sich viel wünscht und dabei die Krawatte und die Sitten lockert und mit der schon immer angehimmelten Sekretärin flirtet, nachdem man sich Mut angetrunken und angetanzt hat, oder den Chef anbaggert und anmacht, gibt es eine Attraktion:
Einer der Herren, vielleicht ein Abteilungsleiter der Versicherung, in der gefeiert wird, hat den Vogel abgeschossen. Mit einer Attraktion: Er hat einen dreißig Zentimeter großen Simmel mitgebracht, der tanzen und rezitieren kann, und der mitten unter den weihnachtsfröhlichen Gästen herumschwoft und den anderen zuprostet.
Er ist, wie gesagt, die Attraktion des Festes, alle rufen: »Hallo! Is ja toll. Mensch, dass es so was gibt.«
Ein Freund des Abteilungsleiters nimmt diesen zur Seite und fragt: »Sag mal, im Vertrauen, wo hast du denn den her, wo gibt’s denn den? Wo kann man den kaufen?«
»Im Vertrauen«, antwortet der Simmel-Mitbringer dem Kollegen, »den gibt’s nirgends zu kaufen. Aber am Waldrand im Erdinger Forst ist noch heute Abend ein Zauberer, der einem alle Wünsche erfüllt.« Er blickt auf seine Uhr: »Bis zwölf Uhr Mitternacht. Wenn du dich beeilst, triffst du ihn noch.«
Da das Fest, es ist schon nach zehn Uhr, allmählich aus dem Leim geht und dem Ende zuwankt, macht sich derFreund des Abteilungsleiters davon, steigt ins Auto und fährt zum Waldesrand. Dort erwischt er tatsächlich noch den Zauberer und kann ihm seinen Wunsch vortragen …
An nächsten Tag treffen sich die beiden, und der Simmel-Besitzer fragt: »Na, wie war’s? Wie ist es gelaufen?«
»Mensch«, sagt der andere, sichtlich enttäuscht, »das war so eine Pleite. Ich geh hin und wünsche mir von dem Zauberer eine Million, aber in kleinen Scheinen. Und was zaubert der mir aus seinem
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