Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Laboratorium zugeschickt. Nach einem Tag zahlreicher Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen, nach EKG - und Belastungs- EKG -Überprüfungen werden die beiden, der fürsorgliche Ehemann und seine schwächelnde, kränkelnde Frau, der aber »nichts Ernstes« zu fehlen scheint, nach Hause geschickt.
»Kommen Sie in vierzehn Tagen wieder«, bescheidet der Chefarzt das Ehepaar. »Dann können wir Ihnen eine genaue Diagnose stellen und Vorschläge für eine Therapie machen.«
Nach zwei Wochen also macht sich der Mann, dessen Frau immer noch leicht ermattet scheint, auf den Weg zur Klinik. »Bis nachher, Liebling«, sagt er. »Kopf hoch! Alles wird schon wieder!«
In der Klinik tritt ihm ein verlegen stotternder Chefarzt entgegen.
»Tja, wie soll ich sagen«, sagt der Chef der Klinik und wagt dem Mann nicht so recht in die Augen zu schauen. »Uns ist da leider ein peinliches Malheur passiert. Wir«, der Arzt räuspert sich, »haben die Akten und Befunde zweier Patientinnen, von denen eine Ihre Frau ist, hoffnungslos durcheinandergebracht. Mit dem traurigen Resultat, dass wir nicht wissen, was Ihrer Frau fehlt. Was Ihre Frau hat. Es steht so«, der Arzt räuspert sich ein zweites Mal, schaut dann dem Gatten der Patientin mutig ins Gesicht. »Entweder Ihre Frau hat Aids. Oder Ihre Frau hat Alzheimer.«
Der Mann schaut den Arzt fassungslos an. »Ja, um Gottes willen, was mache ich denn jetzt nur?«
Der Arzt schaut ihm jetzt fest und tapfer in die Augen. Er sagt: »Ich weiß Ihnen nur einen guten Rat: Fahren Sie nach Hause, packen Sie Ihre Frau in Ihr Auto, fahren Sie mit ihr hinauf zu den Beverly Hills, zum Hollywood-Schild! Dort setzen Sie Ihre Frau aus und fahren schnell von ihr weg! Nach Haus! Und wenn Ihre Frau nach wenigen Stunden zurück nach Hause findet und wieder vor Ihnen steht, dann: Schlafen Sie keineswegs mit ihr! Don’t fuck her!«
Die Geschichte beginnt mit einer anteilnehmenden Besorgnis des Ehemannes. Er macht sich Sorgen um das Wohl seiner Frau. Er möchte, dass es ihr wieder gut, wieder besser geht. Er sucht ihr die besten Ärzte aus, die ihre Krankheit diagnostizieren können. Und damit die Voraussetzung für ihre Wiedergesundung schaffen können. Doch dann, durch einen technischen Fehler im System, dreht sich die Geschichte. Der fürsorgende Mann wird durch den Rat des Arztes, »Don’t fuck her!«, in ein egoistisches Monster verwandelt, das nur noch auf den eigenen Lustgewinn aus sein soll. Ist der Ehemann, der aus vorauseilender Fürsorge in die Klinik gekommen und seine Frau hergebracht hat, schockiert durch die brutale Alternative, die ihm der Arzt vor Augen stellt. Oder wird der Mann gleich sagen: »Erlauben Sie, was nehmen Sie sich das raus!« Wir wissen es nicht. Und wir wissen es doch. Die Geschichte, die so partnerschaftlich, von gemeinsamer Fürsorge getragen, begonnen hat, hat die Kurve zur rücksichtslosen Machowelt genommen. Am Ende, als Pointe, zählt nur noch der Lustgewinn des Mannes. Schon sieht man ihn, am Grab der Frau, seiner hübschen Assistentin unter Trauertränen gewinnend, zukunftsoptimistisch zulächeln.
Noch deutlicher, noch brutaler in den Egoismus des Mannes verlegt, ist die Geschichte, in der der diagnostizierende Arzt der alleinige Held ist. Es ist eine »Gute Nachricht, schlechte Nachricht«-Geschichte, allerdings der besonders brutalen Art.
Ein Mann, der sich nicht wohlfühlt, kommt in ein Diagnose-Zentrum. Er wird dort von Kopf bis Fuß, auf Herz, Nieren und Magen untersucht.
Am Ende kommt der forsche Chefarzt mit federnden Schritten zu dem auf die Resultate bang Wartenden zurück. Er ist das Bild von einem Chefarzt, um die fünfzig, durchtrainierter Körper, ein energisches braungebranntes Gesicht, nachgeblondete Haare als widerspenstige Mähne.
Er tritt vor den Patienten, dessen Akte lässig in der Linken haltend, und sagt: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.« Er blickt den Patienten an. »Welche möchten Sie zuerst hören?«
Der Patient überlegt kurz, schluckt und sagt dann tapfer: »Die schlechte.«
»Mhm!« Der Doktor nickt. »Die traurige Wahrheit ist: Sie haben bestenfalls noch drei Monate zu leben. Bestenfalls! Alle Ihre Organe und Körperfunktionen deuten eindeutig in diese Richtung.«
»Um Gottes willen«, stammelt der Patient, »und was ist denn dann die gute Nachricht?«
Der Arzt strafft sich, lächelt und wendet sich leicht zur Glasscheibe seines Vorzimmers. Er hebt die Rechte und zeigt in Richtung der
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