Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
schwimmt, gaukelt ihm die Sonne den Widerschein eines zweiten Stücks Fleisch in der Wasserspiegelung vor. Der Wolf schnappt danach, reißt also das Maul auf. Und verliert beides. Das Fleisch und das trügerische Spiegelbild.
Es ist, wenn man so will, ein Witz von der sich selbst auffressenden Gier und Lust. Wie oft das im wirklichen Leben und nicht nur in der Tierfabel passiert, dafür gibt es viele Beispiele, etwa vom »betrogenen Betrüger«, mit dem Lessing noch nicht den Ehemann meinte, der nicht ehebrechen und dabei des Nächsten Weib nicht begehren solle. Manchmal steht man, nicht nur im Witz, am Ende mit leeren Händen und leerem Maul da. Wobei diese Erkenntnis als Voraussicht oft zur moralischen Einsicht führt.
Am Schluss zum Thema Triebverzicht noch die eigentlich gar nicht so komische Geschichte vom Frosch und vom Skorpion, ein weiterer Froschwitz also, ein trauriger noch dazu.
Ein Frosch und ein Skorpion stehen am Ufer eines reißenden Flusses und wollen und müssen beide ans andere Ufer. Der Skorpion bittet den Frosch, ihn doch Huckepack ans andere Ufer mitzunehmen. Der Frosch schaut ihn misstrauisch an und sagt: »Damit du mich totstichst.«
Sagt der Skorpion: »Sei nicht albern, wie sollte ich dich totstechen. Dann müsste ich doch selber ertrinken.«
Das überzeugt den Frosch. Er sagt: »Steig auf!«, stürztsich ins Wasser und rudert mit seinen Beinchen tapfer und kräftig dem anderen Ufer zu. Mitten im Fluss sticht der Skorpion zu. Der todgeweihte Frosch sagt im Ertrinken: »Warum hast du das getan? Jetzt musst du mit mir ertrinken.«
»Ich weiß«, sagt der Skorpion bitter. »Aber ich konnte nicht anders. Das ist meine Natur.«
Jeder kennt, nicht nur in der Politik und Wirtschaft, viele Beispiele für diese unaufhaltsame Mordgier und die damit verbundene Lust am Untergang.
Ich könnte mir vorstellen, dass Freud der von ihm entdeckten Libido als unbändige Lebenskraft den Todestrieb deshalb hinzugesellt hat. Weil sie der kräftigen Lebenslust und Lebensgier von vorneherein innewohnt.
ALLES, WAS DA KREUCHT UND FLEUCHT.
VON LÖWEN, AFFEN, PAPAGEIEN UND ELEFANTEN UND UNSEREN GEFIEDERTEN FREUNDEN
Ich habe meine Frau geamselt.
Sie meinen wohl: gevögelt.
Nein. Erdrosselt.
Das ist ein pures Sprachspiel, sehr frei nach der Frühlingsweise »Alle Vögel sind schon da«, die da weitergeht: »Amsel, Drossel, Fink und Star«, sich auf »die ganze Vogelschar« reimt und den Frühling begrüßt.
Doch kann man aus dem obigen Dialog schnell eine Kriminalgeschichte machen. Von einem geistesgestörten Sexualtäter. Also:
Kommt ein Mann zu einer Polizeistation und sagt zum Beamten:
»Ich habe meine Frau geamselt.«
Der Beamte schaut ihn an: »Sie meinen wohl: gevögelt.«
»Nein«, sagt der Mann, »erdrosselt.«
Sofort ergibt sich aus einem Sprachspiel ein Krimi, in dem ein geistesgestörter Mörder sich selbst anzeigt. Der offenbar so verwirrt ist, dass er den Unterschied zwischen Vögeln, Amseln und Drosseln nicht kennt. Ein Typ wie in Hitchcocks Film Die Vögel . Mit einer offenkundigen Obsession.
Sprache also, die ein Verbrechen annonciert. Schon sind wir wieder bei Freud. Beim Unbewussten. Beim Tierwitz. Warum verwendet (soll man heute schon sagen: verwendete?) die deutsche Sprache das Verb »vögeln« für den Geschlechtsakt? Weil, so könnte man sagen, es die Vögel sind, die es ungeniert vor unser aller Augen treiben, so wie es ihnen die Natur eingibt. Schon bei Luther kommen sie vor, die Spatzen, die Sperlinge, die keinen Pflug ziehen und kein Joch tragen (also keiner Arbeit nachgehen) und: Gott im Himmel nährt sie doch.
»Der Sperling in der Hand«, so sagt das Sprichwort, »ist besser als die Taube auf dem Dach.« In Österreich, wo der Sperling Spatz heißt und Spatz gleichzeitig ein Synonym für das männliche Glied ist, heißt es in der Persiflage dieses Sprichworts, dass man besser das Kleine, Bescheidene in der Hand hat, also besitzt, als von dem Großen nur zu träumen.
Die Taube im Bett ist besser als die Schwerhörige auf dem Dach.
Hier verrät die Taube ihr Brieftaubengeheimnis. Es ist natürlich wieder eine Bettgeschichte.
Und das Volkslied
Wenn ich ein Vöglein wär
und auch zwei Flügel hätt,
flög ich zu dir,
weil’s aber nicht kann sein,
bleib ich allhier.
verändert sich in der Parodie zu dem Vers:
Wenn ich ein Vöglein wär
und auch zwei Flügel hätt,
flög ich zu dir,
weil’s aber nicht kann sein,
vögel ich
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