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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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Tiere, die gibt’s gar nicht, die sind dann Drachen, Hausdrachen, und bekommen Rosen oder Nelken als Drachenfutter.
    Tiere spielen den sprichwörtlichen »lupus in fabula« (Terenz), den sprichwörtlichen Wolf in der Fabel, der unerwartet erscheint, wenn man von ihm spricht, wie der Teufel, der ungerufen kommt, wenn man ihn erwähnt. Er ist der böse Wolf im »Rotkäppchen«, der alles verschlingt, ein Nimmersatt, ein Vielfraß, der in der Fabel beim Durch-den-Fluss-Schwimmen noch den Bildschatten des Fleisches sieht und ihn auch noch schnappen will. Tiere in Fabeln verkörpern menschliche Listen, Laster und Tugenden. Die Schnecke die Langsamkeit. Der Löwe die Macht und die Tapferkeit. Der Fuchs die Schläue, der Hase die Schnelligkeit und die Ängstlichkeit, der Bär die gutmütige Tapsigkeit. Die Elster ist diebisch, der Igel gemütlich in sich ruhend. Niemand kann ihm etwas anhaben. So sind viele Tiere auch in Witzen wieder aufgetaucht. Und haben ihre Fabeleigenschaften mitgebracht. So als hätten sie in Goethes Reineke Fuchs mitgespielt, als satirisches Spiegelbild der Menschenwelt bei Hofe.
    Das Wichtigste jedoch: Tiere im Witz können sprechen. Wie in Märchen und Fabeln. Sie verraten Geheimnisse, brechen Tabus, offenbaren sich. Auch hier könnte man wieder die »freudianische« Komponente sehen. Was wir sonst nicht hören können, hören wollen, artikuliert sich. Das Verdrängte. Das Unbewusste, das Vorbewusste (Tierische). Dazu passt das lateinamerikanische Sprichwort: »Man erschlägt den Fisch, der spricht.«
ICH BREMSE AUCH FÜR TIERE
    Den folgenden Witz kann man als Froschwitz, als Hundewitz, als Ehewitz oder als Autofahrerwitz erzählen. Froschwitze könnten, wenn sie wollten, auf eine lange Märchentradition zurückblicken. Sie handeln von der Königstochter, die mit einem goldenen Ball spielt, der ihr in den Teich fällt. Sie verspricht einem Frosch die Ehe, wenn er ihr die güldene Kugel wiederbringt. Anschließend tut es ihr leid. Sie bereut ihr Versprechen, als der Frosch bei Hofe erscheint. Doch ihr Vater sagt: »Pacta sunt servanda.« Auch mündliche Absprachen gelten. Und so muss sie das eklige Tier küssen und zu sich ins Bett nehmen. Prompt verwandelt es sich in einen schönen Prinzen. Die psychoanalytische Deutung fällt nicht schwer. Junge Mädchen ekeln sich vor dem glitschigen, glibbrigen Tier, das ihnen dann doch Freude bereitet.
    Doch zunächst die »Ich bremse auch für Tiere«-Version, die eine grün angehauchte Ideologie transportiert. Der Gedanke an Frosch-Wege und Igel-Straßen in Industriegebieten steht als Verkehrzeichen vor dem Witz.
    Ich weiß, dass Nationen sich Schimpfnamen, Kosenamen, »Nicknames« einhandeln, die mit ihren Hauptnahrungsmitteln zu tun haben. So hießen wir Deutschen »Krauts« und werden von den Türken »Kartoffeln« genannt. Eigentlich könnte auch Hanswurst zur deutschen Typologie gehören. Die Italiener heißen »Spaghettis« oder hießen früher »Makkaronis«, die Hamburger »Fischköpfe«, na und so weiter. In Amerika gelten die Franzosen als »Froschfresser«, werden auch kurz einfach »frogs« genannt. Darauf beruht der folgende Bildwitz, den ich dem Zeichner George Grosz verdanke.
     
    Da steht eine Prinzessin vor einem Mann, der ein Krönchen auf dem blonden Haupt trägt. Er sitzt auf einem Brett mit vier Rädern, beinlos – das war noch vor der Zeit der elegant bewegten Rollstühle voller Elektronik. Der Invalide musste das Brett wahrscheinlich dadurch bewegen, dass er sich mit den Händen über den Boden schob, um ins Rollen zu kommen. So sahen früher Kriegsinvaliden aus. Meist hatten ihnen Kaiser und Vaterland noch einen Leierkasten, eine Drehorgel geschenkt. Das hübsche junge Mädchen starrt auf den beinlosen Prinzen auf dem Brett, und der sagt: »Gell, jetzt tut’s dir leid, dass du so gerne Froschschenkel gegessen hast.«
     
    Froschwitze haben für mich etwas sehr Poetisches. Durch die Liebe, durch den Kuss verwandelt sich ein plumpes, glupschäugiges, breitmauliges, quakendes, glitschiges Tier in einen strahlend schönen Prinzen. Das ist das Märchen der Liebe. Die alles verwandelt und verzaubert.
    Hier eine drastische Variante, am besten auf Bayerisch zu erzählen, ein Sturz von der Liebe in die rüde Praxis männlicher Sexualwünsche.
     
    Auf einer schönen bunten Wiese tänzelt eine Prinzessin an das Ufer eines Seerosenteiches, schön wie von Monet gemalt. Da sieht sie auf einem Blatt einen grünen Frosch sitzen. Die Prinzessin

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