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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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irgendeiner Beziehung, gedacht worden waren, und es ist selbst eben nur der Ausdruck dieser Inkongruenz.«
    Die Inkongruenz ist die der gedachten Sexorgie mit dem kleinen Cappuccino. Zum Beispiel.
    Zurück zu Schillers »Bürgschaft« und dem daraus resultierenden Witz von Schopenhauer:
     
    Aber sehr originell und witzig war es, als einer an ein eben getrautes Ehepaar, dessen weibliche Hälfte ihm gefiel, die Schlußworte der Schiller’schen Ballade »Die Bürgschaft« (ich weiß nicht, wie laut) richtete: »Ich sei, gewährt mir die Bitte, / In eurem Bunde der dritte!«
     
    Wie gesagt, die Ménage à trois statt des edlen Schiller’schen Freundschaftsbundes.
    Von dem großen Philosophen stammt übrigens die misogyne Definition der Frauen:
     
    Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne zu nennen – dies konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt fertigbringen.
     
    Das ist eine »Die Trauben sind mir zu sauer«-Theorie, scheint mir, wenn ich an des großen Philosophen hagestolzige, einsame Lebensweise denke, der lieber mit einem Hund als mit einer Frau zusammenlebte. Und, so wird überliefert, sich seine Triebabfuhr im Freudenhaus holte. In seiner Witztheorie nennt er ebendiesen Ort »bescheidenen Wohnsitz stiller Freuden«. Er bezieht hier die Witztheorie des Horaz, der das Gemeine, Niedrige mit höchsten, edlen Worten bedenkt, um es komisch zu verschleiern.
     
    Es ist eigentlich ganz einfach. Unsere Selbstbehauptung, unsere Selbstverwirklichung, unsere Selbstbestimmung beruht auf der Verwirklichung unserer Wünsche, Sehnsüchte und Triebe. Und unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben, unsere Kultur beruht darauf, dass wir unsere Triebe, Begierden und Wünsche zügeln müssen. Unsere Lebensbahnen werden durch Wünsche gelenkt und durch Gebote und Verbote eingeschränkt und gebremst. Das ist unser Dilemma und gut für den Witz.
    Die erste Witzbremse, die erste Anleitung zum Triebverzicht sind in der jüdisch-abendländischen Kultur die Zehn Gebote, die Moses in zwei Tafeln vom Berg Sinai zu seinem jüdischen, zu seinem auserwählten Volk gebracht hat. Schon darüber, dass wir gerne blasphemisch lachen – Blasphemie ist eine Ordnungsverletzung durch den Witz –, ist der Zusammenstoß zwischen Wunsch und Gebot eine ewig sprudelnde Quelle des Witzes – vom jüdischen Witz bis zu den Witzen Monty Pythons im Film, die die Gebote anachronistisch brechen.
    Vor allem die Wunschverbote, die Sexualität und Eigentum betreffen, spielen im Witz die entscheidende Rolle. Das sechste Gebot, das da sagt, du sollst nicht ehebrechen, das neunte Gebot, das einem das Begehren deines Nächsten Haus verbietet, und das zehnte, dass man des Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel und alles, was sein ist, nicht begehren soll. Mägde und Knechte waren damals Sachen wie Gut und Haus und Acker – schon das zeigt geradezu, wie im Witz, wie archaisch und anachronistisch die Gebote geworden sind.
    In weltlich verderbten Zeiten hat sich die Auslegung weitgehend verlagert. Etwa in dem Frage- und Antwort-Spiel zweier Freunde.
     
    Sagt der eine: »Du, wenn ich mit deiner Frau schlafe, bin ich dann blutsverwandt mit dir?«
    Antwortet der andere: »Nein, aber quitt.«
     
    Hier ist aus dem göttlichen Gebot längst ein Tauschwert geworden, der dem diplomatischen Brauch: »do ut des«, also: Ich gebe, damit du gibst, gehorcht.
    Neben den alttestamentarischen Wünsche-Verboten kommt die christliche Vorstellung von den sieben Todsünden dazu, von denen die meisten vom hemmungslosen Wünschen handeln. Deshalb seien sie, zur Erinnerung, hier kurz genannt, als da sind Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit.
    Neid und Begehren hängen eng zusammen, weshalb im Zusammenhang mit den Wünschen nach dem neunten und zehnten Gebot (ich rekapituliere: des Nächsten Haus soll man nicht unddes Nächsten Frau darf man nicht begehren) zwei sprichwörtliche Einsichten oft für im Witz komischen, in der Wirklichkeit tragischen Verdruss sorgen.
    Die eine ist die von den Kirschen in Nachbars Garten, die bekanntlich süßer schmecken und daher nach dem neunten Gebot geahndet werden. Die andere ist die US -amerikanische Wunscherfahrung, dass in des Nachbarn Garten das Gras grüner ist. Auch hier darf man den Begriff des grünen Grases weit und bildlich und metaphorisch fassen.
    Wünsche im Witz durchbrechen also das Tabu des (gesellschaftlich notwendigen, kulturell

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