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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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aus.
    »Wenn du nur laut genug schreist, kommt bestimmt jemand und kümmert sich um dich«, sagte er zu Dawie. Er wusste, dass das gelogen war – es ging ihm nur um eine Geräuschkulisse aus unverständlichen Rufen für diejenigen, die noch im Haus waren.
    »Du kannst mich jetzt doch nicht allein lassen«, jammerte Dawie. Unerwartet poetisch fuhr er fort: »Ich fühle das Leben aus mir herausfließen. Es verlässt mich. Ich kann es fühlen.«
    Ohne ein Wort ging Bond wieder auf das Haus zu.
    Im Erdgeschoss brannte in manchen Räumen Licht, bei anderen waren die Vorhänge zugezogen. Am breiten Erkerfenster des großen Salons klafften sie ein Stück weit auf, und Bond konnte Kobus Breed – ohne Jackett, mit gelockerter Krawatte – erkennen, der eindringlich ins Telefon sprach. Hin und wieder unterbrach er sich, um in sein Walkie-Talkie zu brüllen, bis er es schließlich in die Ecke warf. Dass von Dawie keine Antwort kam, trieb ihn offensichtlich zur Weißglut.
    Draußen blieb Bond zögernd stehen – er wollte nicht ins Haus, weil er keine Ahnung hatte, wer sonst noch dort war. Es wäre besser, Breed ins Freie zu locken, wo alles dunkel war. Dann kam ihm die Idee, über eines der oberen Stockwerke einzudringen, und so zog er sich schnell an einem der schweren bleiernen Fallrohre hoch. Bald stand er oben inmitten der Zierzinnen mit den gotischen Strebepfeilern, Spitztürmchen, vieleckigen Schornsteinköpfen und unzähligen gemeißelten Kreuz- und Kriechblumen. Nach blitzschneller Abwägung der Chancen und Risiken bewegte sich Bond auf ein dunkles Fenster zu und stieß dabei versehentlich gegen ein Ornament, das einen breiten Ziegelschornstein krönte. Er spürte, wie das Mauerwerk nachgab und die steinerne Kugel an der Spitze sich beinah löste. Bond hielt sie fest. Die Kugel war etwa so groß wie ein Medizinball und wog an die fünfzig Pfund. Er musste lächeln – ihm war gerade eine Idee gekommen.
    Bond zog Dawies Walkie-Talkie aus der Tasche und schaltete es ein. Dann drehte er ganz leicht an der Frequenzskala, so dass die Verbindung zwischendurch abbrechen würde. Mit zusammengebissenen Zähnen und erstickter Stimme sprach er immer wieder die gleichen Sätze ins Mikrofon.
    »Bitte kommen – over – Bond --- Hab ihn --- bitte kommen, bitte kommen – kein Empfang – Bond, wiederhole Bond, hab ihn, over.«
    Er ging davon aus, dass die wirre Botschaft bei Breed und anderen potentiellen Mithörern ankommen würde, und wühlte in seinen Taschen vergeblich nach Kleingeld. Ihm fiel der Totschläger ein, er knotete den Socken auf und entnahm ihm eine Handvoll Münzen. Dann suchte er sich einen günstigen Platz, um das Erkerfenster zu bewerfen. Er beugte sich über die Zinnen und warf ein paar Münzen, die klirrend gegen die Scheiben prasselten. Bond warf gleich noch ein paar hinterher. Anschließend rannte er zum Kugelaufsatz zurück, den er zuvor beinah hinuntergestoßen hatte, und hievte ihn mit beiden Armen vom Schornstein. Er war unglaublich schwer. Bond schleppte ihn in die Ecke, die über die breite Tür hinausragte, die vom Salon in den Garten führte. Komm schon, Kobus, dachte Bond, die Muskeln zum Zerreißen gespannt – du willst doch wissen, was los ist, da draußen ist Bond, Dawie hat ihn erwischt.
    Unter ihm ging die Tür langsam auf, und ein Lichtstreifen fiel vom Salon auf den Rasen.
    Kobus Breed trat mit vorgehaltener Maschinenpistole vorsichtig hinaus.
    »Dawie?«, brüllte er in die Nacht. »Wo steckst du, zum Teufel? Du kommst über Funk nicht durch! Die Verbindung reißt ständig ab!«
    Bond sah auf ihn hinunter. Seine Muskeln taten ihm inzwischen unerträglich weh. Aus dieser Höhe war Breeds Schädel ein kleines Ziel, doch er wollte ihn zerquetschen wie eine reife Honigmelone.
    Breed wagte sich einen weiteren Meter vor und bewegte die Pistole hin und her. Er rechnete damit, dass die Gefahr weiter hinten im Park lauerte, nicht über ihm.
    »Dawie – wo bist du? Hast du ihn?«
    Bond ließ die Steinkugel fallen und trat einen Schritt zurück. Er hörte den Aufprall, hörte, wie Knochen knirschten und knacksten und Fleisch zerrieben wurde, und er hörte Breeds entsetzlichen Aufschrei, in dem sich unbeschreiblicher Schmerz und Verblüffung mischten.
    Er spähte nach unten. Breed lag winselnd am Boden, sein rechter Arm zuckte unbeherrscht auf und ab wie ein gebrochener Vogelflügel. Die Kugel hatte ihn nicht am Kopf getroffen, sondern war offenbar mitten auf seine rechte Schulter gelandet und hatte

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