Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
haben ihn gefunden. Kommen Sie rein.«
Dank seiner weiterführenden Recherchen wusste Bond, dass Gabriel Adeka der ältere Bruder von Brigadegeneral Solomon Adeka war. Dieser erfolgreiche Rechtsanwalt, Absolvent der Rugby School und des Merton College in Oxford, hatte seine einträgliche juristische Karriere aufgegeben, um Africa KIN zu gründen, eine Wohltätigkeitsorganisation zur Linderung des Leids in Dahum. Das Erdgeschoss war mit Linoleum ausgelegt und mit einem Kopierer aus fünfter Hand ausgestattet; auf einem Tapeziertisch standen eine Schreibmaschine und ein Diaskop. Bestimmt ein herber Kontrast zu seiner Kanzlei in Lincoln’s Inn, dachte Bond, als er Adeka über die knarrende Treppe ohne Teppichbelag nach oben folgte, wo sich sein kleines Büro befand.
Dort waren die Wände flächendeckend mit weiteren trostlosen Postern beklebt. Es gab einen Tisch und einen Stuhl, die von gilbenden Papierstapeln – Flugblättern, Prospekten und Broschüren über Africa KIN und das Elend in Dahum – umgeben waren. Gabriel Adeka räumte ein paar Kartons zur Seite und förderte dahinter einen Hocker zutage, den er für Bond vor seinen Schreibtisch stellte.
»Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?« Adeka deutete auf ein Tablett mit elektrischem Wasserkocher und ein paar Bechern, das auf dem Boden stand.
»Nein danke. Ich trinke nie Tee«, erklärte Bond.
»Und Sie wollen Engländer sein?« Adeka lächelte.
»Eigentlich bin ich gar kein Engländer«, sagte Bond und wechselte schnell das Thema. »Wie’s aussieht, stemmen Sie das hier ganz allein. Als Ein-Mann-Orchester.«
»Bei Bedarf steht mir eine Gruppe von ehrenamtlichen Helfern zur Verfügung«, sagte Adeka mit einem nunmehr müden Lächeln. »Aber meine finanziellen Mittel sind bald erschöpft. Ich habe meine Kanzlei vor zwei Jahren aufgegeben, und bekanntlich liegt das Geld nicht auf der Straße, leider. Außerdem werden wir von den hiesigen Behörden ständig schikaniert. Unerklärliche Stromausfälle, aggressive Gerichtsvollzieher, die behaupten, wir hätten unsere Rechnungen nicht beglichen, dazu noch Einbrüche und Vandalismus. Das alles kostet mich eine Menge. Africa KIN ist hier nicht gern gesehen – die Regierung Ihrer Majestät hat das unmissverständlich klargemacht.«
»Vielleicht sollten Sie nach Paris übersiedeln«, regte Bond an.
»Ich habe auch schon daran gedacht. Ohne unsere französischen Freunde … « Er hielt inne. »Mit Ihnen, Mr Bond, spreche ich doch nur, weil Sie für eine französische Presseagentur arbeiten.«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
»Und was führt Sie in unser gottverlassenes Land?«
»Ich fliege zwar nach Sinsikrou, aber dann will ich in den Süden, nach Dahum. Ich möchte Ihren Bruder interviewen – darum bin ich jetzt hier.«
Inzwischen kochte das Wasser, und Adeka bereitete sich eine Tasse Tee zu – ohne Milch und Zucker. Dann nahm er hinter seinem Schreibtisch Platz und sah Bond ein paar Sekunden lang an, stumm, freimütig, als wollte er sein Gegenüber ergründen. Bond sträubte sich nicht – aus irgendeinem Grund mochte er Gabriel Adeka und bewunderte seine Sisyphusarbeit, seine Opferbereitschaft, seine aberwitzige Integrität.
»Wieso glauben Sie, dass ich Ihnen dabei behilflich sein kann?«
»Nun ja, er ist schließlich Ihr Bruder.«
»Ja, aber ich habe mit meinem Brüderchen kein Wort mehr gewechselt, seit Dahum 1967 abtrünnig wurde.« Adeka klang auf einmal sarkastisch. »Solomon ist ein Meister der Überredungskunst. Er hatte mich in seine Pläne eingeweiht – die Ablösung von Zanzarim, die Schaffung eines ›neuen‹ Landes, die Nutzung der künftigen Ölerträge, die dem Volk der Fakassa vorbehalten sein sollte. Er träumte von gewaltigen Umwälzungen. Ich habe ihn angefleht, es nicht zu tun, ich habe ihm gesagt, dass es für die Fakassa ein Desaster wäre, eine Art Stammesselbstmord.« Sein Gesicht verhärtete sich. »Dass ich recht behalten habe, macht mich keineswegs froh.«
»Warum hat er denn nicht auf Sie gehört?«
»Das kann ich Ihnen nicht begreiflich machen, Mr Bond. Um diese Gefühle in ihrer ganzen Innigkeit und Tragweite zu verstehen, muss man ein Fakassa sein … « Er schien um Worte zu ringen. »Seit Hunderten, vielleicht Tausenden von Jahren leben wir im Zanza-Delta. Das ist unsere Heimat – unser Herzland, im wahrsten Sinne des Wortes.« Ein hilfloses Lächeln. »Ich darf nicht erwarten, dass Sie das verstehen. Sie sind kein Afrikaner.«
»Ich kann das sehr gut
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