Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Vorhängeschlössern gesichert, und neben der Tür zum Treppenhaus baumelte eine elektrische Klingel an ihrem Kabel. Bond betätigte die Klingel, aber sie funktionierte anscheinend nicht. Die Tür sprang sofort auf, als er dagegendrückte. Die Tarnung erschien ihm ziemlich ausgefeilt – ein viertklassiger, am Hungertuch nagender Palmöl-Exporteur – , aber durchaus glaubwürdig. Er lief die Treppe hinauf zum Büro und klopfte. Weil sich niemand blicken ließ, drückte er die Klinke – auch diese Tür ging auf. Offenbar wurde bei der OG Palmöl und Agrarbedarf GmbH nicht gern abgeschlossen. Bond trat ein und rief laut: »Hallo? Jemand da?« Stille. Er sah sich um: ein Metalltisch mit einer Schreibmaschine und einem leeren Posteingangskorb, ein Aktenschrank aus Holz, ein Ventilator auf einer Teekiste, an der Wand ein Kalender vom Vorjahr, ein Präsentationstisch mit diversen staubigen Palmöl-Probedöschen. Neben der Tür hing – was Bond rührend fand – eine verblasste Reproduktion des Porträts, das Annigoni 1956 von der Queen gemalt hatte, ein winziger Hinweis auf das wahre Geschäft, das hier betrieben wurde.
Hinter ihm räusperte sich jemand vernehmlich.
Bond drehte sich langsam um. »Hallo«, sagte er.
Da stand eine junge Afrikanerin – eine hellhäutige Zanzari, dachte Bond, klein, schlank und zierlich, bildhübsch, die Haare zu festen Zöpfchen geflochten, die sich in dichten Reihen über ihren Schädel zogen, was ihre braunen Augen umso größer und wachsamer wirken ließ. Sie trug ein »Ban the Bomb«- T-S hirt, ausgefranste hellblaue Jeans, auf Knielänge abgeschnitten, und eine Halskette aus dicken Bernsteinperlen. Wahrscheinlich die Sekretärin von Ogilvy-Grant. Der Mann hatte Geschmack, das musste man ihm lassen.
»Mein Name ist Bond, James Bond«, sagte er. »Ich möchte Palmöl kaufen und würde gern einen Termin mit Ogilvy-Grant vereinbaren.«
»Ihr Wunsch ist soeben in Erfüllung gegangen«, antwortete sie. »Ich bin Ogilvy-Grant.«
Bond musste ein ungläubiges Lächeln unterdrücken.
»Hören Sie, ich weiß nicht, ob wir uns wirklich … «
»Ich bin Efua Blessing Ogilvy-Grant«, erklärte die junge Frau und fügte dann sarkastisch hinzu: »Oh ja, ich bin E.B. Ogilvy-Grant, Geschäftsführung.« Ihre Sprechweise war knapp und klar, ein piekfeines Englisch, das Bond an Araminta Beauchamp erinnerte.
»Schön, Sie kennenzulernen, Mr Bond«, sagte sie schließlich und gab ihm die Hand. »Meine Freunde nennen mich Blessing.«
»Blessing – ein unverhoffter Segen«, antwortete Bond unwillkürlich.
»Wenn Sie wüssten, wie oft ich das schon gehört habe.« Sie klang alles andere als amüsiert.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Bond, der sich halb unbewusst für das plumpe Wortspiel schämte.
»Ich habe heute Morgen am Flughafen auf Sie gewartet. Hat man Sie in London nicht diesbezüglich instruiert?«
»Nein, hat man nicht … « Bond folgte ihr, als sie hinter dem Schreibtisch Platz nahm.
»Es hieß, wir treffen uns am Unabhängigkeitsdenkmal.«
»Das hat mir keiner gesagt.«
»Der übliche Londoner Murks.«
Die junge Frau holte ein Päckchen Zigaretten aus einer Schublade und bot sie Bond an.
»Das ist unsere Lokalmarke. Tuskers – stark und stark suchtgefährdend.«
Bond nahm eine Zigarette, fischte sein Ronson-Feuerzeug aus der Tasche und gab erst ihr, dann sich selbst Feuer.
»Sie sind also unsere Stationsleiterin in Zanzarim.«
»Sie haben’s erfasst.«
Ihr vornehmer Akzent stand in merkwürdigem Kontrast zu dem lässigen Hippie-Outfit.
»Wann wurden Sie eingesetzt, wenn ich fragen darf ?«
»Sie dürfen. Vor knapp zwei Monaten. Seltsamerweise waren wir hier bisher nicht vertreten. Alles lief über die Botschaft«, sagte sie lächelnd, sichtlich entspannter. »Meine Mutter ist eine Lowele. Ihre ganze Familie ist hier in Sinsikrou – meine Familie. Ich spreche Lowele. Mein Vater war ein schottischer Ingenieur, Fraser Ogilvy-Grant, und er hat am Bau des großen Staudamms im Norden, in Mogasso, mitgewirkt, kurz vor dem Krieg. Meine Mutter hat als Dolmetscherin für ihn gearbeitet – und dann haben sie sich ineinander verliebt.«
»Ein schottischer Ingenieur?«, sagte Bond. »Sieh an, das war mein Vater auch. Und meine Mutter war Schweizerin«, fügte er hinzu, als sorgte allein die Tatsache, dass sie beide gemischter Nationalität waren, für eine gewisse Verbundenheit.
Tatsächlich schien sie sich angesichts dieser Information noch etwas mehr zu entspannen. Die
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