Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Beschwörung der alten keltischen Blutsbande, die Nennung der ursprünglichen Heimat – so fragil und bedeutungslos die Assoziation sein mochte, wirkte sie vorläufig Wunder.
»Man hört Ihnen das Schottische nicht an«, sagte er.
»Ihnen aber auch nicht«, entgegnete sie lächelnd. »Ich bin in England zur Schule gegangen. Cheltenham Ladies’ College, und dann habe ich in Cambridge studiert. Und anschließend in Harvard. Ehrlich gesagt, kenne ich Schottland kaum.«
Bond drückte seine Tusker im Aschenbecher auf ihrem Schreibtisch aus. Sein Hals kratzte.
»Wurden Sie in Cambridge rekrutiert?«
»Ja. Und dann hat man mich in Harvard untergebracht. Ich glaube, sie wollten mich in Amerika einsetzen. Aber Sinsikrou war aufgrund meiner familiären Anbindung ideal für den ersten Einsatz.«
Bond versuchte, ihr Alter zu berechnen – Cambridge, später Harvard, während des Kriegs geboren, vielleicht sechs- oder siebenundzwanzig. In Anbetracht ihrer Jugend war sie bemerkenswert selbstsicher. Dennoch ahnte er, dass diese Mission härter werden würde, als er sich bisher vorgestellt hatte.
»Ich wohne im Excelsior«, sagte er.
»Ja, ich weiß«, sagte sie gedehnt. »Und Christmas ist Ihr Fahrer.«
»Ach, dann haben Sie das arrangiert – «
»Ich bin zu Ihrer Unterstützung hier, Commander Bond.« Sie stand auf. »Und es ist mir eine große Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, sogar bis in die hiesige Pampa.«
»Bitte nennen Sie mich James, Blessing.«
»Ich bin zu Ihrer Unterstützung hier, James«, wiederholte sie. »Sollen wir heute Abend zusammen essen gehen? In der Stadt gibt es einen guten Libanesen. Dort können wir alles Weitere besprechen. Unsere Pläne schmieden.« Sie brachte ihn zur Tür. »Ich hole Sie um sieben im Excelsior ab.«
6. Eine Art syrischer Burgunder
Bond hatte für sich Malfuf bestellt – gefüllte Kohlrouladen – und als zweiten Gang Schisch Tawuk, gegrilltes Hähnchenfilet mit scharf eingelegtem Gemüse. Das Essen war gut. 1960 hatte Bond drei Wochen auf einer langweiligen Mission in Beirut verbracht und in seiner überreichlich bemessenen Freizeit die libanesische Küche schätzen gelernt. Die Weinkarte war hingegen ein Witz, wenn er an die hervorragenden libanesischen Weine dachte, die er in Beirut getrunken hatte – hier bestand das Angebot aus Liebfrauenmilch und einem Rotwein, der als »eine Art syrischer Burgunder« angepriesen wurde. Bond ging auf Nummer sicher und bestellte Green Star, die lokale Biersorte. Normalerweise trank er nie zum Essen Bier, aber das Lager war leicht und schön kühl und harmonierte bestens mit den kräftig gewürzten, knoblauchhaltigen Speisen. Blessing hatte sich für eine kalte Linsensuppe und ein Omelett mit getrockneter Minze entschieden.
»Sie sind doch keine Vegetarierin?«, fragte Bond argwöhnisch.
»Nein. Nur nicht sehr hungrig. Aber was spielt das für eine Rolle?«
»Man weiß nie.« Bond lächelte. »Ich bin noch nie einem Vegetarier begegnet, der mir sympathisch war, so komisch das klingt. Aber Sie wären möglicherweise die Ausnahme gewesen, die die Regel bestätigt.«
»Haha. An ihren Essgewohnheiten sollt Ihr sie erkennen«, sagte sie spöttisch.
»Lachen Sie nicht. Es gibt schlechtere Kriterien.« Bond bestellte beim Kellner noch ein Green Star und fuhr fort: »Nach allem, was ich so erlebt habe.«
Zur Feier des Abends trug Blessing statt ihrer Zöpfchenfrisur das Haar glatt zurückgekämmt. Es war stark geölt und sah fast aus wie gemalt. Sie hatte einen farblosen Lipgloss aufgelegt und zu ihrer schwarzen Seidenjacke im Nehru-Stil eine ausgestellte weiße Baumwollhose angezogen. Von ihrem Hals baumelte an einem Lederriemen eine grob gehämmerte Zinnscheibe. In Bonds Augen sah sie mit ihrer makellosen Karamellhaut sehr futuristisch aus, wie eine Statistin in einem Science-Fiction-Film.
Das Restaurant befand sich in der Stadtmitte, neben dem Justizpalast und der Kaserne. Von außen mutete es bescheiden an, mit seinem schlichten flackernden Neonschild »El Kebab – Best Lebanon«, aber der Speisesaal im ersten Stock war klimatisiert, es gab weiße Leinentischdecken und Kellner mit Samtwesten und quastengeschmückten Tarbuschen. Unter den Gästen entdeckte Bond mehrere ranghohe Offiziere sowie einige Journalisten, die der Pressekonferenz beigewohnt hatten. El Kebab schien das einzige Speiselokal in Sinsikrou zu sein.
Beim Essen plauderten sie locker dahin, ohne das Thema ihrer gemeinsamen Arbeit
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