Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
schließen, dass ihm der halbe Oberkiefer abhandengekommen war. Er packte Bond grob an, als er ihn durchsuchte, und nahm ihm Pass, APL -Ausweis und das letzte Dollarbündel ab. Außerdem steckte er Bonds Feuerzeug und seine Rolex ein.
»Diese Sachen fordere ich irgendwann zurück. Passen Sie also gut darauf auf«, sagte Bond.
Kobus versetzte ihm eine Ohrfeige.
»Werd bloß nicht frech, Bürschchen.«
»Kenia? Uganda?«
»Rhodesien.« Kobus lächelte vielsagend und wies mit dem Kopf auf Blessing. »Dein Mädchen hat mir erzählt, dass du zur SAS gehörst.«
»Hat sie nicht.« Bond blieb ganz ruhig. »Hören Sie, ich bin Journalist. Ich habe sie in einer Bar in Sinsikrou kennengelernt. Sie ist schön und klug und spricht fließend Lowele – genau, was ich suchte. Eigentlich wollte ich heute General Basanjo interviewen. Dabei sollte sie für mich dolmetschen – und außerhalb der Arbeit hätten wir unseren Spaß gehabt. Aber dann mussten Sie ja alles verderben.«
Kobus versetzte ihm wieder eine Ohrfeige, diesmal schlug er fester zu. Bond hatte den Geschmack salzigen Bluts im Mund.
»Du gehst mir langsam auf die Nerven. Ich nehme dich nach Port Dunbar mit, um zu ermitteln, wer du wirklich bist. Denn eins steht schon mal fest – ein Journalist bist du nicht.« Kobus stand auf und ging. Bond spuckte etwas blutigen Speichel aus und sah sich nach Blessing um. Sie hatte sich mit dem Rücken zu ihm auf dem Boden zusammengerollt.
Die Stunden vergingen nur schleichend in der dampfenden Hitze, die unter dem Verdeck herrschte. Später band man ihnen vorübergehend die Hände los und gab ihnen etwas Wasser und einen Teller kalter Bohnen. Bond lief unter Bewachung zum Rand der Lichtung, um sich zu erleichtern. Den ganzen Tag über hatte er unregelmäßiges Artilleriefeuer gehört, einmal waren zwei MiGs im Tiefstflug über die Lichtung gedonnert und hatten mit ihrem himmelerschütternden Gedröhne unter den Flussvögeln ein gut fünfminütiges Kreischen und Krächzen ausgelöst.
Als die Abenddämmerung einsetzte, bauten die Männer das Lager ab. Die Segeltuchplane und das Tarnnetz wurden eingerollt, jedes kleinste Stück Abfall eingesammelt und vergraben. Wieder band man Bond und Blessing die Hände los und gab ihnen Wasser zu trinken. Kobus kam gemächlich auf sie zu, rauchend, was bei Bond das heftige Verlangen nach Tabak weckte.
»Wir hauen jetzt gemeinsam ab, klar?«, sagte Kobus. »Wenn einer von euch zu fliehen versucht, erschieße ich erst den einen, dann den anderen. Eiskalt. Also keine Tricks. Auf Tricks steht für beide die Todesstrafe.«
Nach Einbruch der Dunkelheit liefen sie im Gänsemarsch in den Wald, von Kobus angeführt. Auf ihn folgte Blessing, während Bond der Vorletzte in der Reihe war. Ein Soldat bildete das Schlusslicht. Bond fühlte sich dreckig und verschwitzt, ihn juckte es am ganzen Körper. Kurz träumte er von einer kalten Dusche, bevor er sich wieder auf seine Lage besann. Im Mondlicht konnte er erkennen, wie ausgetreten ihr Pfad bereits war. Der Wald war von so vielen Tier- und Insektenlauten erfüllt, dass ihre eigenen Geräusche günstigerweise darin untergingen, das Klirren von Gürtelschnallen gegen Maschinengewehre, das dumpfe Scheuern der Koppeln, das Getrappel schwerer Stiefel. Bond entdeckte seine Zanzari-Tasche, sie war an den Rucksack des Soldaten vor ihm geschnallt. Er fand es beruhigend, dass man die Tasche nicht zurückgelassen oder entsorgt hatte, so schien sie ihm eine Art Zukunft zu verheißen, wie kurzlebig auch immer.
Sie waren nach Bonds Schätzung etwa eine Stunde gelaufen, als Kobus sie stoppte. Er wies sie durch Handzeichen an, sich zu ducken und zu warten. Bond wandte sich an den Soldaten hinter ihm.
»Worauf warten wir denn?«
»Klappe.«
Bond richtete den Blick wieder nach vorn. Im Dunkeln zeichnete sich eine etwas hellere Stelle ab, vermutlich eine Lücke inmitten der Bäume. Mit einigem Halsverrenken konnte er erkennen, wie das Mondlicht auf eine Art Asphaltstreifen fiel. Kobus winkte sie an den äußersten Rand der Baumlinie heran, wo Bond seine Vermutung bestätigt sah.
Sie hatten eine Straße erreicht – die landestypische zweispurige geteerte Fahrbahn voller Schlaglöcher mit breiten Seitenstreifen. Dieser Abschnitt verlief schnurgerade, ohne jegliche Kurve, und das Mondlicht gewährte in beide Richtungen auf ein paar Hundert Meter gute Sicht. Kobus wollte sicher die Straße überqueren, um den Waldpfad auf der anderen Seite weiter zu beschreiten.
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