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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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aber wenigstens spendeten ihm die hohen Bäume Schatten, durch die der Pfad sich hindurchwand. Bond sah zum Laubgewölbe auf, von Zweigen gebildet, die wie verbogene Balken eines riesigen, schiefen Dachbodens wirkten, dann lief er weiter. Der Pfad war nach wie vor verblüffend stark ausgetreten, und ab und an stieß er auf menschliche Hinterlassenschaften – einen Kronkorken, einen Fetzen indigoblauen Stoffs, die Metallfolie eines Schokoriegels. Später fand er den Stummel einer selbstgedrehten Zigarette, in dem noch ein paar Tabakfäden steckten – und fluchte, weil er kein Feuerzeug mehr hatte. Der Tabak hätte durchaus für ein paar tiefe Züge gereicht. Bond wollte den Stummel gerade wegwerfen, als er bemerkte, dass es gar kein Tabak war. Er roch daran – Marihuana oder ein anderes starkes Kraut. War das vielleicht ein Jägerpfad, ein traditioneller Weg von Dorf zu Dorf, Stammesgebiet zu Stammesgebiet? Oder wurde er vielmehr von Kobus und seinen Leuten genutzt, um Überraschungsangriffe hinter den Linien der zanzarischen Armee durchzuführen?
    Als er weiterging, fielen ihm an den Büschen und Bäumen, die den Pfad säumten, Früchte und Beeren in jeder erdenklichen Farbe und Größe auf, aber er wagte nicht, davon zu kosten. Der üppigen, frischen Vegetation zum Trotz war keine Wasserquelle zu sehen. Er fand einen glatten runden Kieselstein, steckte ihn in den Mund und lutschte daran, um den Speichelfluss anzuregen und seine zunehmend trockene Kehle zu befeuchten.
    Zur Mittagszeit legte er erneut eine Pause ein, denn nun schienen die Sonnenstrahlen, die durch das Laubdach drangen, direkt auf den Pfad, und wartete, bis die Schatten am Nachmittag länger wurden. Er hatte den Eindruck, sich mehr oder weniger nach Süden zu bewegen, auch wenn der Pfad viele absurde Biegungen machte. Unterwegs fand er einen Turnschuh (linker Fuß) mit loser Sohle und eine Blechbüchse ohne Etikett, in der noch etwas Regenwasser steckte. Er wollte es gerade trinken, als ihm auffiel, dass es vor blassgelben Maden wimmelte.
    Als die Abenddämmerung anbrach, war er müde, wundgelaufen und unangenehm durstig. Er bettete sich zwischen zwei Brettwurzeln eines großen, aschgrauen Baums. Die Nacht senkte sich mit der gewohnten tropischen Geschwindigkeit, und um sich von seiner ausgedörrten Kehle und dem knurrenden Magen abzulenken, dachte er über Dinge nach, die nichts mit dem Zanza-Delta zu tun hatten. So verglich er die Vorzüge des Jensen FF mit denen des Interceptor II und überlegte, ob ihm genug Geld zur Verfügung stand, um die nötige Anzahlung zu leisten. Dann fragte er sich, ob Doig und sein Team die Wohnung in Chelsea inzwischen fertig renoviert hatten. Er hatte Donalda angewiesen, die Arbeiten während seiner Abwesenheit zu überwachen und die fälligen Schecks auszustellen. Wenn er nach dieser Mission tatsächlich in ein rundum erneuertes Zuhause zurückkäme, wäre das eine schöne Belohnung. Besonders freute er sich auf seine neue Dusche. Bei diesem Gedanken musste er lachen – schließlich hatte er sich in einem tropischen Regenwald verlaufen, irgendwo unterwegs zwischen zwei feindlichen Armeen. Und während er sich erneut der Wirklichkeit stellte, kam unweigerlich die Frage nach Blessings Verbleib auf. Ihr zierlicher, geschmeidiger Körper stand ihm wieder vor Augen, die Nacht voller Zärtlichkeiten, die sie vor fast 48 Stunden miteinander verbracht hatten und die so brutal unterbrochen wurde. Er empfand Bitterkeit und Reue – aber was hätte er sonst für sie tun können? Nun musste er sich auf sein eigenes Überleben konzentrieren.
    Bond schlug den Kragen seiner Safarijacke hoch und steckte die Hände in die Taschen. Er neigte nicht zum Jammern – er war der festen Überzeugung, dass der nächste Tag besser laufen würde als der heutige.
    Im Morgengrauen weckte ihn der flötende Gesang eines unbekannten Vogels, und er setzte seinen Weg unverzüglich fort, nachdem er sich erleichtert hatte. Seine Kehle war wund und geschwollen, seine Zunge fühlte sich an wie Leder. Nach etwa einer halben Stunde bemerkte er, dass sich der Wald lichtete. Helle Grasflächen tauchten auf, die Riesenbäume wurden weniger, dafür mehrte sich die Zahl und Vielfalt der Büsche, zu niedrig, um ihm noch Schatten zu spenden. Als er die pralle Sonne spürte, zog er seine Jacke aus und knöpfte sie sich um den Kopf wie eine arabische Kufiya. Schweiß lief ihm über Nase und Kinn.
    Und plötzlich war der Pfad verschwunden, einfach so, wie ein

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