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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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mit dem Daumen oder seinem Ärmel abwischte. Unterhalb des Auges waren zwei kleine runde Narben zu erkennen – Einschusslöcher wie eingestanzte Umlaute – , und sein linkes Profil war eigenartig verformt, weil das Jochbein fehlte. Bestimmt die Folgen einer sehr schweren Verwundung.
    Bond und Blessing wurden nach unten geleitet – vom Personal der Cinnamon Lodge war niemand zu sehen – und dann hinaus in die warme, dunkle Nacht. Bond warf einen Blick auf seine Rolex: gerade erst vier. Die Soldaten führten sie vom Rasthausgelände weg auf einen Pfad, der zu einer kleinen Bucht führte. Bond stolperte mutwillig und ließ seine Tasche fallen. Als er sich danach bückte, stieß er gegen Blessing.
    »Sie sind aus Dahum«, flüsterte er.
    »Deswegen mache ich mir ja Sorgen.«
    Am Ufer erwartete sie ein etwa dreieinhalb Meter langes Glasfiberboot. Bond wurde zum Bug geschubst, während Blessing im Heck sitzen musste. Die dahumischen Soldaten waren diszipliniert und gut ausgebildet, das musste Bond ihnen lassen. Sie wussten genau, was zu tun war und verständigten sich beinah wortlos miteinander. Er hörte einen der Männer sagen: »Alle bereit, Kobus.« Das war also der Name des Weißen – Kobus, möglicherweise eine Abkürzung von Jakobus. Der Mann mit dem halben Gesicht, besser gesagt: mit den zwei Gesichtern.
    Kobus machte das Boot los und setzte sich zu Blessing nach hinten. Die anderen Männer nahmen kurze Paddel in die Hand und steuerten das Boot schnell und leise von der Bucht in die Lagune. Bond sah, dass in Lokomeji ein paar Lichter brannten – sein Treffen mit Kojo fiel nun buchstäblich ins Wasser. Allmählich dämmerte ihm, dass Kobus und seine Mannen eigens gekommen waren, um ihn zu entführen, im Glauben, er gehörte zu den britischen Militärberatern der feindlichen Armee. Das wäre in der Tat ein Coup gewesen, dachte Bond und lächelte verzagt. Blessing hatte ihm ja gesagt, dass in Lokomeji alle über den Gast in der Cinnamon Lodge Bescheid wussten. Und das hatte sich bis zu den Rebellen in Dahum herumgesprochen, die die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.
    Diese Erkenntnis ließ Bond das Ganze paradoxerweise etwas entspannter angehen. Er hatte nichts bei sich, das ihn als Vertreter einer Sondereinheit auswies. Nun war er heilfroh, keine Waffe bei sich zu tragen. Vielleicht würde die militärische Obrigkeit von Dahum ihn und Blessing den zivilen Behörden in Port Dunbar überantworten, sobald sie seine Identität als Mitarbeiter einer französischen Presseagentur geprüft und für gut befunden hatte. Wenigstens ein Hoffnungsschimmer.
    Nach einer erstaunlich raschen Überquerung der Lagune fuhren sie in einen der gewundenen Flüsse hinein. Die nächtliche Brise ließ das hohe Schilf am Ufer knistern. Über ihnen wölbten sich massige Mangroven und andere Bäume, die Bond eher erahnen als sehen konnte. Die Männer paddelten unermüdlich weiter, während die Morgendämmerung anbrach. Als es heller wurde, spürte Bond eine wachsende Anspannung bei den Soldaten. Sie blickten sich wachsam um und murmelten miteinander. Anscheinend wollten sie nicht bei Tage auf dem Wasser erwischt werden. Plötzlich hörte Bond das rhythmische Rattern von startenden Hubschrauben und in der Ferne das Heulen von Dieselmotoren. Das hieß, sie passierten gerade die Linien der Zanza-Armee, die Dahums schrumpfendes Kernland eingekreist hatte.
    Bald erreichten sie einen morschen Anlegesteg. Nachdem sie ausgestiegen waren, zogen die Soldaten das Boot an Land und versteckten es unter Palmblättern. Danach lief ihre kleine Kolonne durch den Wald auf eine Lichtung zu, wo ein mit Tarnnetzen drapiertes Segeltuchverdeck als Unterschlupf diente. Bond und Blessing mussten sich jeweils an einem Ende hinsetzen. Kobus nahm ihnen das Gepäck weg, dann wurden ihnen die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Ein Soldat blieb als Aufpasser zurück, während Kobus die anderen als Wachposten an den Trampelpfaden rund um die Lichtung platzierte. Als die Sonne aufging, hörte Bond das sporadische Knallen schwerer Geschütze.
    Kobus kehrte zurück und hockte sich zu Blessing, um sie zu verhören. Es wurde so leise gesprochen, dass Bond weder seine Fragen noch ihre Antworten hören konnte. Danach kam Kobus auf ihn zu.
    Inzwischen hatte er sich die Tarnbemalung vom Gesicht gewischt, so dass Bond das volle Ausmaß seiner Entstellung zu sehen bekam – Kobus’ starres Auge, das weder blinzeln noch zucken konnte, und die Aushöhlung darunter ließen darauf

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