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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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versprochen?«
    »Selbstverständlich, Herr Doktor.«
    Er verließ den Raum und Sarah lag da, umgeben vom Geruch des Desinfektionsmittels. Das Piepen auf dem Monitor wurde schneller, und die gezackten Linien wurden unregelmäßig. Sarah entfernte den Clip von ihrem zitternden Finger. Sie musste von ihm geträumt haben. Sie hatte seinen Namen gerufen.
    Sie hatte nicht »harmlos« gesagt.
    Sondern Harmon.
    Harmon Smith. Der Mann mit dem schwarzen Hut.

 
     
     
    13. KAPITEL
     
    Der Mais war braun vom frühen Frost, die Quasten steif und vertrocknet. Ray Tester bahnte sich seinen Weg durch die Reihen. Er hatte eine Sorte angebaut, die süße, kurze Kolben mit kleinen hellen Körnern hervorbrachte. Was bis jetzt nicht geerntet oder von den Erdraupen gefressen worden war, würde vom Frost hart werden. Die Krähen hatten sich seit der Aussaat nicht mehr blicken lassen, als sie wie mechanische Hühner durch die Reihen gestakt waren und die Samen aus den Furchen gepickt hatten. Jetzt waren sie wieder da.
    Manche Bauern tränkten einzelne Körner mit Säure und legten den giftigen Köder am Feldrand aus. Andere hockten sich mit der Schrotflinte zwischen die Reihen. Als Munition wählten sie extra kleine Korngrößen, damit der Schrot möglichst breit streute. Ray fand beide Methoden sinnlos. Die Krähen waren einfach zu dumm, um daraus etwas zu lernen. Erwischte man eine, kamen mindestens zwei Dutzend neue angeflattert und nahmen ihren Platz ein. Es gab nur eine Methode, die schwarzen Diebe fernzuhalten. Und zwar von Anfang an.
    Da half nur eine Vogelscheuche.
    Aber es durfte nicht irgendeine Vogelscheuche ein. Krähen waren zwar dumm, aber sie hatten Augen im Kopf. Wenn man die Vogelscheuche mit alten Klamotten aus der Kleidersammlung verunstaltete, dann nahmen die Krähen sie nicht ernst. Sie setzten sich auf den Kopf und auf die Schultern und lachten ihr gespenstisches Lachen. Ein Geräusch, das alle Bauern aus tiefstem Herzen hassten. Nein, die Vogelscheuche musste so echt aussehen, dass selbst Menschen zweimal hinschauen mussten. Als wäre sie aus Fleisch und Blut.
    Ray war ein preisgekrönter Vogelscheuchenbauer. Sein schönstes Werk hatte er »Buck Owens« genannt, nach dem Star einer alten Farmer-Show im Fernsehen. Auf dem Bauernmarkt von Pickett County hatte er damit vor drei Jahren ein blaues Band und fünfzig Dollar gewonnen. Buck trug ein hässliches gestreiftes Hemd und eine ausgefranste Latzhose. Sein Kopf war aus Sackleinen, ausgestopft mit Lumpen. Besonders hatte der Jury der Strohhut gefallen, den die Vogelscheuche auf dem Kopf trug. Abgetragen, ausgebeult und richtig schön verwittert.
    Ray war stolz auf sein Werk. Er war in der neunten Klasse von der Schule gegangen und galt nicht gerade als großes Genie. Weil seine Vogelscheuche in der Erntezeit auf dem Bauernmarkt ausgestellt war, hatten die Krähen in dieser Zeit seine Felder geplündert und es sich in den Bäumen auf seinem Hof gemütlich gemacht. Seine verstorbene Frau Merlie hatte auf der Veranda ein Vogelhäuschen aufgehängt, das aussah wie eine kleine Kirche. Die Krähen hatten die Kirche mit grüngelben Kackstreifen überzogen. Das zeigte wieder mal, dass die geflügelten Ratten keinerlei Respekt hatten, weder vor Gott noch vor den Menschen.
    Seitdem hatte Ray nicht wieder an landwirtschaftlichen Wettbewerben teilgenommen. Seine Vogelscheuche ließ er auf dem Feld, dort wo sie hingehörte. Ein stiller Soldat, der sich niemals beklagte und sein Land mit seinem Leben verteidigte. Doch selbst der beste Wächter brauchte dann und wann eine Generalüberholung, und wenn diese nur dazu diente, die Moral zu stärken. Also brachte er der Vogelscheuche einen mottenzerfressenen Schal, den er im Gebüsch bei einer Müllhalde gefunden hatte. Der Schal hatte noch einen weiteren Vorteil: Er war kariert. So würden selbst die kurzsichtigen Krähen davor Angst haben.
    Er hörte die Vögel im Wald hinter der Wiese krächzen. Ihre Hälse schienen viel zu lang für ihre plumpen Körper. Ray hatte seiner Vogelscheuche eine Schrotflinte in die Hand gedrückt. Vielleicht hatte ja eine der Krähen schon mal schlechte Erfahrungen damit gemacht. Es war ein rostiges altes Gewehr, das er für einen Dollar auf dem Flohmarkt erstanden hatte. Das Schießeisen verstärkte den heldenhaften Eindruck des »Soldaten«, auch wenn es nicht ganz zum Namen »Buck Owens« passte. Doch von einem Banjo hätten sich die kleinen Geier wohl kaum abschrecken lassen. Außer vielleicht, wenn
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