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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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als alle von mir denken.«
    »Als ich Kind war, habe ich den Wanderprediger einmal gesehen. Er schlich sich wie ein Schatten an mich heran, als ich eines Nachmittags Steine in den Forellenteich warf. Ich dachte, dass er mich packen würde, aber er drohte mir nur mit seinen langen Fingern. Ich bin nach Hause gerannt und habe mich eine Woche lang nicht mehr aus dem Haus getraut. Ungefähr zur gleichen Zeit bekam Janie Bessemer eine Blutvergiftung, weil sie sich in den Fuß geschnitten und eine Entzündung reinbekommen hatte. Ich war immer überzeugt, dass der Wanderprediger daran schuld war.«
    Odus nahm einen großen Schluck Old Crow und hustete. »Muss mich berichtigen. Sie sind doch verrückter als ich.«
    Mose stand auf. »Ich werde wohl lieber mal die Leiste hier festnageln, bevor es dunkel wird, damit morgen zum Gottesdienst alles fertig ist.«
    Odus packte Mose am Arm. »Wurde nicht auch Jesus Christus von einem seiner Jünger nach dem letzten Abendmahl verleugnet?«
    »Ja, von Petrus. Jesus hatte gewusst, dass Petrus ihn drei Mal verleugnen würde, bevor der Hahn kräht.«
    »Vielleicht sind Sie ja wie Petrus. Sie glauben an Harmon Smith, aber Sie geben es vor niemandem zu.«
    Bevor Mose antworten konnte, ging ein Lufthauch durch den Altarraum. Eine Krähe flog durch den Gang und setzte sich auf die Kanzel. Der schwarze Vogel flatterte mit den Flügeln und starrte beide aus pechschwarzen Augen an.
     »An ihren Früchten wirst du sie erkennen, Prediger Mose«, sagte Odus und setzte die Flasche an die Lippen. »Man weiß nie, welche davon verfault ist.«

 
     
     
    21. KAPITEL
     
    Sue Norwood drehte das Schild in ihrem Schaufenster um, so dass alle Radfahrer, die um diese Zeit noch vorbeikamen, Bescheid wussten: »Geschlossen – bin angeln.« Nicht, dass sie sich etwas aus diesem Sport gemacht hätte, auch wenn sie Angelruten und -rollen von Orvis, Watstiefel, Köder fürs Fliegenfischen, Kühlboxen, Anglerhüte und sämtliches Zubehör verkaufte, was der geneigte Angler so brauchte. Außer Alkohol. Solom war ein gemeindefreies Gebiet, wodurch eine Abstimmung zum Alkoholverkauf in der Region nicht möglich war. Sue war sich jedoch ziemlich sicher, dass sich die Ferienhausbesitzer aus Florida in spätestens fünf Jahren so breit gemacht haben würden, dass sie dann einen Bürgerentscheid durchdrücken konnten. Momentan begnügte sie sich damit, das einfach auszusitzen. Auch so konnte man hier ohne viel Anstrengung schnelles Geld verdienen.
    1995 hatte Sue ein kleines Nebengebäude gekauft, das früher zur Eisenbahngesellschaft der Little Tennessee Railroad gehört hatte – eines der wenigen Bauwerke in Solom, die die Flut von 1940 überlebt hatten. Es war nur einen Katzensprung vom Blackburn River entfernt, doch es stand hoch genug, um die ganzen Katastrophen zu überleben, die Solom magisch anzuziehen schien. Alle zwei Jahre fielen Schnee- und Eisstürme über die Stadt her, in jedem Frühling und Herbst gab es Hochwasser, von März bis Juli tobten höllische Gewitter, und der Winterwind pfiff durch die Holzverkleidung, dass sie klapperte wie das Gerippe einer Vogelscheuche. Mit ein bisschen grüner Farbe, einem 20.000-Dollar-Kredit, den niedrigen Zinsen der Clinton-Ära und sechzig Stunden Zeit pro Woche hatte Sue es geschafft, aus dem Gebäude etwas zu machen, auch wenn Solom sonst nicht gerade ein ideales Geschäftsklima bot.
    Ein Zimmer in der oberen Etage hatte Sue zum Wohnraum umgebaut. Hierher zog sie sich nach Ladenschluss zurück. Sie ging vorbei an den Regalen mit den Kajaks, die wie Walrippen an beiden Seiten des Ganges standen, und prüfte, ob die Tür abgeschlossen war. Als Ausrüster für jede Jahreszeit hielt sie alle möglichen Dinge vorrätig, die man gewinnbringend verkaufen konnte, von North Face Schlafsäcken über Kompasse bis hin zu Gaskochern von Coleman. An der vorderen Wand lehnten Fahrräder mit Gangschaltung. Die Vermietung brachte mehr als genug ein, um die Ketten immer mal wieder schmieren zu können.
    Seitdem Lance Armstrong vor seiner dritten Tour de France auf der alten Straße am Fluss trainiert hatte (ein Umstand, den Sue immer in ihren Werbeanzeigen erwähnte, sofern die Lokalzeitungen dies nicht schon von selbst taten), strömten scharenweise aus der Form geratene Amateurradler in die Gegend, um ihre verschwitzten Ärsche auf dem Sattel zu wetzen. Für zwanzig Dollar am Tag konnten sie sich darauf richtig austoben. Sue sponserte sogar jeden Sommer eine Spendenradtour für

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