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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Männer wie Arvel weiterhin jeden Tag um sechs Uhr morgens aufstehen und zehn Stunden schuften mussten. Na ja, manchmal waren es auch nur sieben, wenn alles glattlief. In Arvel hatte sich also eine gehörige Portion Wut auf den Typen mit dem Bandana angestaut, als er den Knall in der Küche hörte und der ganze Boden bebte. Es klang, als ob seine Frau vier Säcke Maismehl umgestoßen hätte. Aber da sie es nicht mal schaffte, auch nur einen Sack zu heben, musste irgendwas anderes umgefallen sein.
    Und zwar seine Frau. Mit ihren ganzen hundertfünfundneunzig Pfund.
    Arvel legte seine Wange neben ihre Lippen, um zu spüren, ob sie noch atmete. Er guckte zur Hintertür. Dort hatte er irgendetwas wackeln gesehen, als er zur Tür hereingekommen war. Er war sich fast sicher, dass es irgendein Tier gewesen war, und hatte gerade näher hinschauen wollen. Doch da hatte er Betsy auf dem Boden liegen sehen, wie Sly Stallone in »Rocky«. Nur dass Rocky es geschafft hatte, sich wieder aufzurappeln und in die Seile zu hängen. Bei Betsy aber sah es ganz so aus, als wäre sie richtig k.o. gegangen.
    Sie atmete noch, doch ihre Augen sahen dunkel und eingesunken aus. Er öffnete eines ihrer Augenlider. Henrietta machte das auch immer. Betsys Pupille war so klein wie ein Stecknadelkopf. Ihr langer Rock war bis zu den Knien hochgerutscht und legte ihre violetten Krampfadern frei. Arvel untersuchte ihren Hinterkopf und fand eine faustgroße Beule.
    »Nur eine kleine Gehirnerschütterung, nichts weiter«, pflegte Henrietta in einem solchen Fall zu sagen. Sie sprach immer ganz langsam und ruhig, selbst wenn die Patienten bewusstlos waren. Einmal hatte Arvel miterlebt, wie sie das Opfer eines Autounfalls mit dieser sanften Stimme ganz schwerelos durch das Tor des Todes begleitet hatte.
    Langsam hatte Arvel jedoch das Gefühl, dass er nicht länger so tun sollte, als ob er Henrietta wäre. Denn was wäre, wenn seine Frau auf einmal nicht mehr atmete? »Stirb mir jetzt ja nicht weg«, sagte er. Ein Satz, den Henrietta in hundert Jahren nicht benutzen würde.
    Er ging zum Telefon und wählte die Notrufnummer. Dann sprach er mit Henriettas Worten mit der Einsatzzentrale. »Ist dort Francine?”
    Na klar war es Francine. Arvel kannte alle von der Notrufstelle, schließlich hatte er in seinem Lastwagen ein Funkgerät. Francine sagte: »Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?« Arvel holte tief Luft und sagte: »Tut mir Leid, euch zu belästigen, aber könnt ihr ein paar Leute in die Hogwood Road 12 nach Solom schicken? Ich hab hier einen Notfall.«
    »Was für einen Notfall, Sir?«
    »Ich bin nicht Sir. Ich bin Henrietta. Ich meine, Arvel Ward.« Irgendwo in seinem Handschuhfach hatte er ein Blatt, auf dem die Einsatzcodes standen. Aber weil er sonst immer nur ab und zu mal einen Brand löschen oder den Verkehr umleiten musste, hatte er sich nie die Mühe gemacht, diese auswendig zu lernen. Alles, woran er sich erinnern konnte, war, dass es Personen- und Sachschäden gab. Den Rettungswagen schickte man natürlich nur bei Ersterem los. Also sagte er: »Wie haben hier einen Personenschaden, schwacher Puls, wahrscheinlich Kopfverletzung. Und im Ofen brennt was an.«
    »Bleib dran, Arvel, wir schicken sofort jemanden los. Bist du beim Patienten?«
    »Im Moment nicht. Ich bin ja am Telefon.«
    »Ich meine, ist der Patient mit dir im Haus?«
    »Ja. Sie wohnt ja hier.«
    »Okay. Bleib am Apparat. Ich sage dir, was du tun musst.«
    »Ich kann sie nicht alleine lassen, und das Kabel ist nicht lang genug. Sag ihnen, sie sollen sich beeilen. Und schick Henrietta mit!«
    Arvel legte auf. Als er zurück in die Küche kam, kniete er sich wieder über Betsy, um ihren Puls zu fühlen. Die Hand, mit der er sich auf der anderen Seite ihres Körpers abstützte, griff in etwas Nasses. Es war Blut. Es musste irgendwo aus ihrem Oberkörper herausgekommen sein.
    Vielleicht war sie auf dem Fleischermesser gelandet, als sie fiel? Auf jeden Fall kam das viele Blut nicht aus ihrem Kopf. Er versuchte, sie umzudrehen, aber sie war viel zu schwer. Schließlich kriegte er sie so weit herum, dass er einen Schlitz in ihrem Kleid sah. Darunter schimmerte eine blutrote Wunde in ihrer Seite, ein paar Zentimeter unter ihrem Brustkorb. Sah aus wie eine Bisswunde, denn die Ränder waren ausgefranst.
    Er schaute noch einmal zur Hintertür. Was konnte das nur für ein Tier gewesen sein, das einfach hier eingedrungen und sich einen Bissen von seiner Frau geholt hatte? Und warum hatte Digger

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