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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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zu, dass du hier raus kommst.«
    Aber die Ziege kaute genüsslich weiter, als ob sie gerade die köstlichsten Artischockenherzen verzehrte. Sarah mogelte sich an den krummen Hörnern vorbei und schlug der Ziege mit dem Strohbesen auf die Flanken. Der Bock glotzte ihr direkt in die Augen, und Sarah erblickte ihr Spiegelbild in der eckigen Pupille. Sie sah, dass ihr die Angst ins Gesicht geschrieben stand.
    »Komm jetzt, raus hier«, sagte sie mit zittriger Stimme. Jetzt knirschte es im Maul des Ziegenbocks, als ob er auf Erdnussschalen herumkaute. Sie versetzte dem Tier einen weiteren Hieb. Der Bock machte ein paar Schritte nach vorn, die kleinen Hufe kratzten über die Holzdielen. Wieder schaute ihr das Tier in die Augen und schien zu lächeln, als es weiter vor lief, mit seinen Hörnern die Tür aufstieß und über die Veranda davontrottete.
    Odus hatte für heute Abend eine kleine Zusammenkunft anberaumt, um über die merkwürdigen Vorfälle zu sprechen. Ob sie ihm wohl erzählen sollte, was sie gerade gesehen hatte? Zwischen den braunen Zähnen der Ziege hatte etwas herausgehangen. Und es hatte, in Gottes Namen, ausgesehen wie ein Mäuseschwanz.
     

 
     
     
    29. KAPITEL
     
    Sarah wusste nicht so recht, was sie von diesem kleinen Treffen halten sollte. Die Eingangstür hatte sie verschlossen, aber ihr war nicht ganz klar, was sie mehr fürchtete: das da draußen oder die Leute hier drin. Und das, was sie erzählen würden. Odus hatte sich um die Einladungen gekümmert. Damit hatte er mehr oder weniger den Anspruch erhoben, als Leiter der Versammlung aufzutreten. Die alte Uhr über der Tür stand auf viertel vor zehn. Eigentlich war das schon fast ihre Schlafenszeit. Doch irgendwie ließ sie das Gefühl nicht los, dass sie heute Nacht nicht so recht zum Schlafen kommen würde.
    Odus feuerte gerade den Holzofen an. Sarah stellte eine Kanne Kaffee auf den Tisch. Der Boden des alten Ladens war nicht gedämmt. Mit dem Sonnenuntergang war die Kälte eingezogen. Arktische Luftmassen drängten sich viel zu früh aus Richtung Nordwesten. Auf einer Bank lümmelte Ray Tester, sein Bruder David saß aufrecht daneben. Seine Ellbogen hatte er auf den Tisch gestützt, so als wollte er beten. Lillian Rominger teilte Käsecracker aus einer Plastiktüte aus. Das knackende Geräusch beim Zerbeißen war das Einzige, was außer dem Knistern des Feuers im Raum zu hören war. Ihre rechte Hand war verbunden. An der Seite stand Sue Norwood und fummelte an einem Windspiel herum, gar nicht weit von der Stelle, an der vor etwas mehr als vier Stunden die mäusefressende Ziege aufgetaucht war.
    »Setzen Sie sich doch, Miss Norwood«, forderte Sarah sie auf. »Ich hab hier guten Filterkaffee.«
    »Bestimmt halb verschimmelt«, bemerkte Odus mit einem schiefen Grinsen.
    »Du wirst gleich verschimmeln, wenn du weiter so redest! Wir wollten die Sache doch ernst nehmen.«
    Sue setzte sich neben David auf einen wackligen Holzstuhl. Der Prediger nickte ihr zu. Sarah stellte einen Styroporbecher vor sie hin und schenkte ein, bevor Sue überhaupt etwas sagen konnte. Als alle Becher voll waren, stellte sie die Kaffeekanne wieder auf den Ofen und setzte sich zu den anderen an den Tisch. Odus warf noch einen Holzscheit ins Feuer und schloss die gusseiserne Tür. Dann schaute er die Gäste der Reihe nach an.
    »Wir kennen uns ja alle«, fing er an. »Deshalb will ich gleich zur Sache kommen. Die schlimme Wahrheit ist, dass Harmon Smith nach Solom zurückgekehrt ist. Das bedeutet, dass hier bald die Hölle losbricht.«
    Ray schüttelte den Kopf. »Du hast wohl wieder mal zu tief ins Glas geschaut. Sowas kann sich ja wohl nur ein Besoffener ausdenken.«
    »Er ist wieder da.«
    »Harmon Smith ist tot und begraben. Er ist längst zu Staub zerfallen. Die ganze Geschichte von ihm ist doch ein Ammenmärchen!«
    »Wo ist eigentlich deine Frau heute?«, fragte Odus.
    Ray sagte nichts dazu, stattdessen fragte Sue: »Wer ist denn dieser Harmon Smith?«
    »Der Wanderprediger«, antwortete David. »Manche nennen ihn auch den Mann mit dem schwarzen Hut oder den Reiterprediger. Er war ein Methodistenpriester, der im 19. Jahrhundert in diesen Bergen umherritt. Dann wurde er hier sesshaft und baute ein kleines Häuschen mit Garten. Er war allerdings nicht ganz klar in der Rübe. Irgendwann fing er an, sich dem methodistischen Glauben zu widersetzen. Er opferte Tiere, wie im Alten Testament. Dann ist er eines Nachts auf einem Pfad in den Bergen ermordet worden. Manche

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