Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
Vom Netzwerk:
und sie entscheiden sich immer wieder fürs Falsche. Nur wenige finden den richtigen Weg.«
    Das Geräusch wurde lauter und schwoll an. Es war der Motor eines Fahrzeugs. Jemand kam den holprigen Holzfällerpfad heraufgefahren, der den Berg im Zickzack überzog. Der Pfad führte hinauf zum Kamm, wo Odus seinen Feind missbilligend ansah. Er runzelte zweifelnd die Augenbrauen. Er sollte das hier doch alleine durchziehen, oder?
    In diesem Augenblick stieg Sister Mary auf die Hinterbeine und schlug mit den Vorderbeinen wild um sich. Die ledernen Zügel sausten Odus aus den Händen und schnitten in sein Fleisch. Sie riss sich frei und galoppierte mit eingezogenem Hals und angelegten Ohren in den Wald.
    Der Wanderprediger strich Old Saint über die Mähne und das Pferd des Wiedergängers erwiderte die Geste mit einem leisen Glucksen. »Nun, ich gehe davon aus, dass Ihre Freunde aus freiem Willen hierherkommen, oder?«
    Odus ging zwei Schritte zurück, auf den Felsvorsprung zu, der den Blick auf einen Holzfällerpfad freigab. Von hier ging es zehn Meter in die Tiefe. Er könnte versuchen hinabzuklettern. Doch dann stellte er sich vor, wie er am Felsrand hing und Old Saint mit seinem schweren, vernarbten Huf auf seine Finger trat. Er könnte auch Sister Mary hinterherrennen und sich seinen Weg durch das Gebüsch bahnen. Oder er blieb einfach hier stehen und ließ auf sich zukommen, was Gott für ihn vorgesehen hatte.
    Doch keine dieser Möglichkeiten konnte das mulmige Gefühl in seinem Bauch beruhigen. Der Mut, der ihn am Morgen des heutigen Tages durchströmt hatte, erschien ihm jetzt albern und töricht. Er verfügte weder über die besondere Gabe noch über entsprechende Waffen, um ein übernatürliches Wesen zur Strecke zu bringen. Ein rudimentärer Glaube hatte ihn übermannt, der Odus glauben ließ, Gott würde ihn in der Stunde der Not unterstützen. Doch Odus hatte außer Acht gelassen, dass er niemals ein religiöser Mensch gewesen war und dass man den Glauben nicht einfach aufdrehen konnte wie einen Wasserhahn.
    »Ihr fürchtet mich, jedoch nur, weil ihr mich nicht versteht«, sagte der Wanderprediger über das lauter werdende Motorengeräusch hinweg. »Wenn ein Hirte hundert Schafe besitzt und eines davon ausreißt, lässt er dann nicht die anderen neunundneunzig allein in den Bergen zurück und begibt sich auf die Suche nach dem Ausreißer?«
    Der Wanderprediger machte mit seinem Pferd kehrt und ritt zurück durch das Lorbeergebüsch. Die Zweige bogen sich, als er zwischen ihnen hindurchritt, als seien Pferd und Reiter so massiv und wirklich wie lebendige Wesen. Doch der Geruch des Verfalls hing ihnen nach. Es roch nach Graberde, erloschenen Flammen und schwarz getrocknetem Blut.

 
     
     
    43. KAPITEL 
     
    Alex hatte ganz passable Kenntnisse, was das Spurenlesen und Jagen anging. Er lebte zwar fast vegetarisch, doch er fand, es konnte nicht schaden, wenn man in der Lage war, sich sein Fleisch zum Abendessen selbst zu schießen – besonders, wenn Republikaner und Demokraten irgendwann einmal tatsächlich die Freiheitsstatue stürzen sollten. Also hatte er sich ein gewisses Grundwissen angeeignet, und er hatte sogar schon Kleinwild mit seinem Pfeil und Bogen erlegt. Selbstverständlich war er ein erstklassiger Scharfschütze. Das durfte man von einem Mitglied der regierungsfeindlichen Bürgerwehr ja wohl erwarten – selbst wenn es nur eine Einmann-Armee war.
    Und so fiel es Alex auch nicht schwer, den Hufabdrücken der Ziegen durch den Wald zu folgen. Diese Spuren hätte selbst seine Schwester, die Anwältin in Boston war, lesen können, denn die struppigen Viecher hatten praktisch einen Highway durch das Unterholz getrampelt. Der Blätterteppich auf dem Boden war aufgewühlt, Äste waren abgebrochen und angeknabbert, und natürlich gab es hier und da den typischen Haufen Ziegenscheiße. In seiner Eile hatte Alex der Munition, die er in seine Schultertasche geworfen hatte, keine rechte Aufmerksamkeit gezollt, doch er hatte bestimmt mindestens sechs Patronen für jede der Ziegen. Das sollte genug sein, um den teufelsgesichtigen kleinen Biestern beizubringen, dass man sich nicht an seinem Privateigentum vergreifen sollte.
    Die Spur führte hinauf zum Kamm. Welchen Weg sie auch wählten, sie steuerten immer im Zickzack nach oben. Alex kannte die chemischen Prozesse, mit denen Marihuana die Synapsen stimulierte. Doch dafür brauchte es Wärme, um die Cannabinoide zu aktivieren. Deshalb musste man es rauchen oder

Weitere Kostenlose Bücher