Solomord
Grund ihres Erscheinens.
»Seine Mutter hat uns gebeten, nach ihm zu sehen. Er ist schon länger nicht bei ihr gewesen und sie macht sich Sorgen.«
Sein Kollege erstaunte ihn aufs Neue. Ohne mit der Wimper zu zucken, tischte Teichert der älteren Dame diese Lügen auf. Obwohl, so ganz gelogen war die Geschichte nicht. Schließlich war es tatsächlich Mia von Seitz gewesen, die sie veranlasst hatte, hierherzukommen.
Frau Lüdenscheidt schien erstaunt. Da könne es sich sicherlich nur um ein Missverständnis handeln. Herr Wagner sei doch so ein anständiger Mann. Das könne sie sich überhaupt nicht von ihm vorstellen.
»Bestimmt ist er schon auf dem Weg zu ihr. Hatte es nämlich furchtbar eilig vorhin.«
»Siehst du, Hagen, hab ich doch gleich gesagt, da ist nichts.«
Teichert stieß ihm mit dem Ellenbogen leicht in die Seite und forderte ihn dadurch wortlos auf, das falsche Spiel mit der lästigen Nachbarin mitzuspielen.
»Dann können wir bei mir oben einen Kaffee trinken.«
Sein Kollege bedankte sich für die Aufmerksamkeit der älteren Dame und folgte ihm in den dritten Stock. Vor der Wohnungstür klimperte Brandt mit seinen Schlüsseln. Anschließend warteten sie, bis Frau Lüdenscheidt die Treppe hinuntergestiegen war und sie ihre Wohnungstür ins Schloss fallen hörten.
Erleichtert atmeten sie auf.
»Gleichgültigkeit hin, Gleichgültigkeit her, aber zu viel Interesse an seinen Mitmenschen ist auch nicht gut. Die geht einem auf den Keks. Wie hältst du das hier aus?«
Er zuckte mit den Schultern. So aufdringlich wie heute war ihm die Nachbarin noch nie erschienen.
»Wo bleibt denn nur der Schlüsseldienst?«, versuchte er, das Thema wieder auf den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit zu lenken.
Teichert blickte auf seine Uhr.
»Müsste eigentlich gleich hier sein.«
Der Mann in Jeans und Karohemd las gründlich den Beschluss von Bruns, ehe er sich an Wagners Tür zu schaffen machte. Nur ein paar Sekunden später konnten sie die Wohnung betreten.
Die Aufteilung der Zimmer ähnelte der in Brandts Wohnung. Von einem langen, schmalen Flur gingen links die Küche und rechts das Wohnzimmer ab. Alles wirkte sauber und ordentlich. Unter der Garderobe standen aufgereiht mehrere Schuhe, daneben ein Schirmständer und eine Kommode, darüber ein Schlüsselbord.
Teichert warf einen Blick in die Küche, in der es vor Sauberkeit nur so blitzte.
»Der hat bestimmt ’ne Putzfrau«, bemerkte er und dachte an seine Bude, in der sich das Geschirr manchmal wochenlang in der Spüle stapelte oder die Wäschebox überquoll.
In den hinteren beiden Räumen befanden sich zwei Schlafzimmer. Das größere der beiden gehörte eindeutig Wagner. Im Schrank befanden sich Hemden und Jeans, an den Wänden hingen Bilder von Formel-1-Wagen, in der linken hinteren Ecke stand eine Hantelbank mit verschiedenen Gewichten.
»Sieht aus, als wolle er verreisen.«
Brandt wies auf den Koffer, der auf dem Bett lag und bereits bis zur Hälfte mit Wäsche gefüllt war. Daneben lagen ein nagelneuer Lenkdrachen und ein Reiseführer von der Ostsee.
Das andere Zimmer wirkte, als ob ein kleines Mädchen es bewohnte. Überall in den Regalen saßen Puppen und kleine Stofftiere. Im Schrank hingen Kleider und Röcke. Neben einem Schreibtisch stand ein roter Lederschulranzen.
»Meinst du, er hat die Mädchen hier versteckt gehalten?«
Brandt schüttelte seinen Kopf.
»Das sieht hier aus wie in einem Museum. Wenn Marie oder auch Michelle hier gewesen wären, würden wir hier auch ohne die Kollegen von der Spusi irgendwelche Hinweise finden.«
Gierig schlang Marie die Pizza hinunter. Sie hatte zum ersten Mal richtig Hunger, seit sie hier in diesem dunklen Loch saß. Bisher hatte sie immer nur ein paar Kekse oder Chips gegessen und alles andere, was der Mann an Speisen gebracht hatte, verschmäht.
Doch diesmal hatte sie dem köstlichen Duft der Salamipizza nicht widerstehen können. Wie ein ausgehungertes Tier hatte sie sich auf den Karton gestürzt, eilig nach einem der dreieckigen Stücke gegriffen und es in den Mund geschoben. Der Mann sah ihr lächelnd dabei zu, wie sie die Pizza bis auf den letzten Krümel verdrückte und sich anschließend die Finger ableckte.
»Na, du hast aber Hunger gehabt«, bemerkte er, als sie die leere Pappschachtel von sich schob.
Sofort überfiel sie wieder dieses eigenartige Gefühl. Es war eine Mischung aus Angst, Beklommenheit und Verzweiflung. Ihr Magen rumorte nicht nur ob der ungewohnten Belastung, in
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