Some like it heiß
die jeweils eine ganze schwer arbeitende Bauernfamilie ernähren könnten, aber statt unsere Kalorien durch Ernteeinsätze auf den Feldern zu verbrennen, sitzen wir vor unseren Bildschirmen und spielen Farmville. Unser kollektiver fat ass passt nicht mehr in normale Sitze: Die Sitze des PATH train, des Pendlerzugs zwischen New York und New Jersey, wurden 2012 zum ersten Mal verbreitert, von vierundvierzig Zentimeter auf neunundvierzigeinhalb – weil die überwiegende Mehrheit der Hintern in New Jersey deutlich breiter als vierundvierzig Zentimeter ist.
Hier spannt nicht nur die Hose des Reisenden, sondern auch eine böse Brücke zwischen Pendlern aus New Jersey und Frauen in den Wechseljahren. Der jahrelange Verzehr von refined carbohydrates (raffinierten Kohlenhydraten) – weißes Mehl, weißer Zucker –, kombiniert mit toxic stress – Krankheit, Scheidung, Abschied, Arbeitslosigkeitoder dem, was ich »Alltagsleben« nenne –, endet mindestens im Muffin-Top oder, noch viel schlimmer, in Diabetes, Herzinfarkt oder Krebs. Raffinierte Kohlenhydrate sind relativ neu in unserer Zivilisation – obwohl Chicken McNuggets, Pommes und Dunkin’ Donuts sehr lecker sind, erhöhen sie unsere Überlebenschancen in der modernen Welt nicht. Für Frauen in den Wechseljahren ist es noch gefährlicher, denn erhöhte Blutzuckerwerte bringen den Hormonhaushalt mehr durcheinander, as it already ist.
Ich bin ein Carb-Junkie, ich gebe es zu. Ich bin begeistert von allem, was mit Mehl, Hefe und einem kleinen bisschen Liebe gemacht ist. Ich erinnere mich an meine erste Pizza wie an meinen ersten Kuss. Mein Vater war ein Barkeeper in der Maple Alleys Cocktail Lounge – der Kneipe einer Kegelbahn, in der Pizza und Bier die Renner waren. Er kam oft sehr spät und etwas besoffen nach Hause, brachte uns Kindern aber immer eine übriggebliebene Pizza als eine Art verbotene kulinarische Entschuldigung mit. Diese Frühstückssünde war mein Einstieg in die verführerische Welt der Kohlenhydrate – einen verworrenen Ort, an dem Liebe, Schuld und Köstlichkeit aufeinandertreffen, wo ich Trost und Ruhe fand.Mit vier entdeckte ich Spaghetti, mit acht Kartoffelchips.
Meine Mutter arbeitete in einem Supermarkt, und wir kamen immer vor ihr nach Hause. Mein Bruder und ich überbrückten die Zeit zwischen Schulende und Abendbrot mit Fluffernutters, Sandwiches aus Wonder Bread – wolkenweichem synthetischem Toastbrot, das so wabbelig und inhaltsleer ist, dass man einen ganzen Laib in einer Hand zusammendrücken kann –, beschmiert mit Erdnussbutter und Marshmallowcreme. Carbs und Zucker – so erlebte ich meinen ersten Vollrausch!
Es ging immer weiter – auf zu neuen Ufern! In New York habe ich Bagels und Knishes, jüdische Teigtaschen, gebacken oder frittiert, kennengelernt. Als ich im East Village wohnte, aß ich nur in Leshko’s Coffee Shop, einem ukrainischen Deli an der Avenue A, Piroggen, Blintzes, Blinis – und ab und zu einen Teller Borschtsch. Auf meiner ersten Tournee in Europa dann Crumpets in London, Brioche in Toulon, bis ich schließlich nach Deutschland kam – dem ultimativen Ort für Carb-Freaks: Spätzle, Maultaschen, Klöße, Brezeln und über dreihundert Brotsorten! Manchmal denke ich, meine wahre Verbindungzu den Deutschen ist unsere gemeinsame Vorliebe für Backwaren. Habt ihr mal einen Deutschen ohne Brot erlebt? Schick einen Deutschen an einen atemberaubend schönen Ort, irgendwo auf diesem Planeten – Taj Mahal, Timbuktu, Tahiti –, er wird sagen:
Hier gibt es aber kein gutes Brot. Du kannst hier aber kein vernünftiges Brot kriegen. Es ist toll hier, aber was ich wirklich vermisse, ist gutes Brot.
You gotta love that about the Germans – give ’em a piece of Pumpernickel and they’re happy. It’s so bodenständig!
Da treffen wir uns – die Deutschen und ich –, auf der Kreuzung von Kohlenhydraten und Glück. Nach meinem ersten Besuch in einer Stuttgarter Bäckerei wollte ich sofort nach Schwaben übersiedeln – nur für den Morgenduft von frischgebackenen Brötchen. Ich frage mich oft, warum nicht alle Deutschen dick sind, aber ich glaube, eure Kohlenhydrate sind gute deutsche Kohlenhydrate. Sie sind stramm und aktiv und an der frischen Luft aufgewachsen. Sie haben höchstwahrscheinlich ein universelles Stiftung-Warentest-Gütesiegel und enthalten immer etwas wie Dinkel oder Grünkern.
Ich aber bin hardcore – dank meiner vielen Auftritte in Kleinstädten und unendlich verspätetenBahnfahrten kenne ich
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