Some like it heiß
die andere Seite von Germany’s Next Top Bread und seiner Vollkornvollkommenheit: Camping-Wecken! Butterhörnchen! Zimtschnecken! Käsebrötchen – alles von Kettenbäckereien! Entweder mit Zuckerglasur übergossen oder unter Butterschichten verschwunden.
Wenn ich mit der Bahn durch Deutschland unterwegs bin, verwandle ich mich irgendwann in ein Käsebrötchen auf zwei Beinen, den Wolf im Schafspelz unter den Zwischenmahlzeiten. »Ach, es ist gesund!«, denk ich immer wieder, »at least it’s not Salami.« Aber ziemlich bald formen sich die gesamte geschmierte Butter, die Mayonnaise, die Remoulade und die Eier zu einem Den-ganzen-Tag-auf-dem-viel-zu–engen-Regionalbahn-Sitzplatz-sitzenden-Arsch – und der Käse stopft. Punkt. Der Latte Macchiato mit »nur einem kleinen bisschen Karamellsirup« hilft da auch nicht. Wenn ich am Reiseziel beim Theater/Fernsehstudio/Veranstaltungsort ankomme, steht meistens eine festliche Packung »Celebrations!«, voller Mini-Snickers, Mini-Bountys und Mini-Mars’ auf dem Garderobentisch. Dazu eine Kanne lauwarmen Kaffee und Brötchen – dick mit Käse und Salami belegt.
Dick – ich mag dieses Wort überhaupt nicht. Dick heißt Penis, im umgangssprachlichen Englisch. Ich war einmal in München, als mich auf dem Fußweg plötzlich eine Horde amerikanischer Touristinnen aus Texas überholte. Sie waren schockiert vom Schlecker-Schaufenster, das voller Küchenrollen war, für die ein Plakat warb: »Extra DICK?!? Don’t they know what they’re saying?«
Kein Wort klingt in diesem Fall optimal – und ich bin über die Jahre in der Presse mit allen beschrieben worden: pummelig, füllig, mollig, üppig, rundlich, weiblich, gut gepolstert, rubenesque, chubby, curvy, chunky, tubby, pudgy, porky und big boned. Ein Wonneproppen. Eine Ulknudel.
Ich fühlte mich mehr und mehr wie eine lebensgroße russische Babuschka-Puppe, mein inneres Ich verhüllt von kiloschweren Schichten aus Kummer, Sorge und Schlappheit. Schicht für Schicht, Babuschka für Babuschka, entfernte sich mein Körper von meiner Seele. Die kleinste Babuschkina wollte endlich wieder raus, aber wie? Sie war unterdrückt und eingeengt, und sie war wirklich stinksauer.
Dieses Bild ließ mich nicht los. Ich erfand mireine ganz besondere Geschichte für dieses Sinnbild meines Körpers, liebevoll und dramatisch, russisch und rasend romantisch. Ein winziges Holzstück bekam plötzlich eine Persönlichkeit und Geschichte, war Hauptdarsteller eines von Dostojewski inspirierten Dramas über eine tapfere Travellerin, ganz weit weg von ihrem ursprünglichen Zuhause. Ein zauberhaftes Kleinod, gefertigt aus dem Holz einer wunderschönen Birke, die Jahr für Jahr mühsam Ring für Ring angesetzt hatte, auf stolzem russischem Boden, mitten im verschneiten Wald. Bis sie 1965 im Hintergrund für eine Liebesszene zwischen Omar Sharif und Julie Christie in David Leans Verfilmung von »Doktor Schiwago« in Großaufnahme zu sehen war. Nach den Dreharbeiten wurde sie von breitschultrigen Holzfällern mit gut geölten Kettensägen gefällt, zerkleinert und nach Moskau transportiert, um als Schreibtisch für Schiwagos Autor Boris Pasternak weiterzuexistieren. Lean wusste, dass der Schriftsteller aus politischen Gründen den Nobelpreis für sein Buch 1957 in Stockholm nicht hatte annehmen dürfen und wollte ihm etwas Trost und Hoffnung schenken.
Die Frau des Zimmermanns, der den Tisch bauen sollte, war eine flinke Puppenmacherin.Sie nahm die Reststücke seines Arbeitsmaterials und kreierte Babuschkas, in Erinnerung an ihre Oma, die einst für Zarin Alexandra Puppen gemacht hatte, in der Nachfolge ihrer Urururahnin, die wiederum für Katharina die Große …
Meine Babuschka war kein bloßes Holzstück, sie war adlig! Ein Stück Weltgeschichte, ein Zeichen für Veränderung und Umbruch – versteckt und einsam an einem fremden Ort, und der fremde Ort war ich. Die Revolutionärin in der Mitte meiner Mitte musste gerettet werden!
Es war endlich Zeit für eine Babuschka-Befreiungsaktion!
8. MATERIAL GIRL
Guten Abend und herzlich willkommen! Mein Name ist Gayle Tufts, und ich bin Everybody’s Showgirl! Ich bin das Showgirl für jedermann, und es gibt genug von mir für alle, also keine Sorge! Ich gebe alles! Alles! Heute Abend präsentiere ich my greatest hits – I said
hits
, Sir – und viel Neues dazu. Das Beste aus neunzehn Jahren of performing hier in Deutschland. Die wahre Geschichte – the real-life true story of a
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