Some like it heiß
John F. Kennedy –, sah meine vierjährige Verzweiflung und lachte: »Don’t worry, you didn’t miss much …« Ich glaubte ihr nicht, dass ich nichts verpasst hatte. Etwas hatte sich ereignet,und ich war nicht dabei gewesen! Ich war irgendwo anders gewesen, wo
war
ich gewesen? Verdammt!
Ich war ein enthusiastisches Kind – ich wollte immer dabei sein, immer teilnehmen. Was die anderen, weil ich die Kleinste war, nicht wollten. Ich war mir sicher, dass mein Bruder und meine Schwester, bestimmt sogar beide zusammen, etwas Hochinteressantes entdeckt hatten, während ich bewusstlos und sabbernd auf dem beach towel lag, verloren in dreamland. Aus dem Kofferradio unserer Strandnachbarn kam »Justa Gigolo« von Louis Prima: »Life goes on without me …« Ich hasste dieses Lied – weil ich nicht wollte, dass das Leben ohne mich weiterging und ich etwas verpasste.
Jetzt, durch das Wunder der Wechseljahre, The Wonder Years, verpasse ich Dinge, während ich sie tue. Ich bin ein bisschen vergesslicher geworden. Mein Gehirn wird langsam zu Schweizer Käse – ein kreisrundes Etwas voller Löcher! You could put a Kerze under my brain and do a little Fondue up there. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass das weibliche Gehirn während der Wechseljahre »on fire« ist – voller geladener Synapsen, freischwebender Energie und der renovierungswütigenTine Wittler. Das Östrogen ist schuld! Es hat eine positive Wirkung auf das Kurzzeitgedächtnis. Wenn es verschwindet, hinterlässt es Löcher. Eigentlich wollte ich noch etwas ganz anderes über Östrogen erzählen, aber ich habe vergessen, was das war.
Weil ich so vergesslich bin, sagt mir mein norddeutscher Mann: »Mach dir doch eine Liste.« Ich mache mir eine Liste.
Dann vergesse ich die Liste.
Ich war immer eine Listenmacherin. Seit ich denken kann, habe ich Listen zusammengestellt: der Bestand meiner Spielzeugkiste (Teddys: 4, Barbies: 2 ½, Mr. Potato Head: 1), die Wünsche an Santa Claus (1 Pferd, 1 Hund, 1 Hamster), oder die Lebensziele (College absolvieren, Broadway erobern, Beatle heiraten). Ich glaube, als Baby hatte ich eine ganz klare Tagesdispo (saugen, schlafen, scheißen, schreien). Klarheit und Ordnung waren schon damals sehr wichtig für mich, und im Nachhinein betrachtet war das vielleicht das erste Zeichen meiner latenten Sympathie für preußische Beständigkeit. Von meiner Familie kriegte ich die nicht.
Meine Familie ist eine impulsive Gruppe von netten Menschen, die völlig planlos durchs Lebengehen. Geburtstage, Urlaube und Steuererklärungen kommen Jahr für Jahr völlig unerwartet, und man reagiert mit einer stürmischen Mischung aus Erschrecken und Ungestüm. Unsere Hochzeiten und unsere Beerdigungen haben den Flair eines Flashmobs. We are the most un-German family on earth.
Deswegen liebe ich Listen! Top-Ten-Listen, Gästelisten und meine neverending TO DO LIST. Sie geben mir eine Art von Sicherheit in einer immer chaotischeren Welt. Es tut so gut, das Leben, das einen überwältigt, in eine Form zu bringen.
Ich mache jeden Tag eine TO DO-Liste mit Dingen, die ich zu erledigen habe. Meine Listen sind immer ziemlich lang und reichen vom Alltäglichen (Milch kaufen) über das Spirituelle (positiv denken, atmen nicht vergessen) bis zum Beruflichen (in der Waldbühne auftreten). Es gibt immer viel zu tun.
TO DO-Listen tun einfach gut – der Klang des Filzstiftes, wenn er am Ende des Tages auf das Papier trifft: geschafft, geschafft,
geschafft!
Selbst wenn ich nichts geschafft habe, was TO DO ist – es steht mindestens da, schwarz auf weiß und existent. Listen geben meinem Leben eine Rahmungund Bedeutung, genau wie mein deutsches Lieblingswort, zwei Buchstaben mit einer enormen Wirkung: the mighty German SO!
SO ist kompakt, kräftig und zupackend. SO! Es reißt uns zusammen, es gibt uns ein Ziel, es ist die Essenz der deutschen Seele – pragmatisch und praktisch, die Kraft einer Million deutscher Omas, konzentriert in einem kleinen Wort: SO!
Jeden Morgen, wenn ich aufwache, sage ich zu mir: »SO! Jetzt penne ich noch ein paar Stunden«, und ich fühle mich gleich besser, als ob ich etwas Wichtiges geschafft hätte. Ich glaube, es ist auch das perfekte Wort nach einem Orgasmus.
SO!!!
Zurück ins Hilton Garden Inn. Endlich stellte ich den Wecker aus und öffnete die Augen. Es war kurz vor Weihnachten, das Herz meiner Mutter wurde immer schwächer, und ich war aus Deutschland eingeflogen, um Abschied zu nehmen. The Hilton Garden Inn war
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